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Freitag, 6. Juni 2014

Gesichtet: X-Men - Zukunft ist Vergangenheit


Spiderman, Thor, Iron Man, demnächst Guardians of the Universe. Mittlerweile kann man sich als Kinogänger kaum noch vor Filmen auf dem Comicuniversum von Marvel retten. Die hauseigenen Filmstudios hauen in Fließbandproduktion einen Kino-Blockbuster nach dem anderen auf die Leinwände und verlassen sich dabei auf ein und dieselbe Formel: bildschirmfüllender Effektbombast, billiger Witz und Hintergrundgeschichten, die auf Anhieb jeder verstehen kann ohne den Kopf bemühen zu müssen. Zugegebenermaßen bin ich alles andere als ein Fan von den Avengers und ihren Kameraden, aus Gründen auf die ich später noch eingehen werde, jedoch zog es mich gestern freiwillig in das örtliche Kino, um den neusten Marvel-Streifen zu sehen: X Men - Zukunft ist Vergangenheit. Meinen Besuch rechtfertigte vor allem der Vorgänger "Erste Entscheidung", der in all dem austauschbaren Marvel-Wulst einen interessanten Widerstand bot. Machen wir es kurz: Das, was ich gestern sah reicht nicht an den ersten Teil der geplanten Trilogie heran. Jedoch nicht unbedingt aus den Marvel-typischen Gründen. 

 Die erste größere Überraschung des Films dürfte - zumindest für die uninformierten Kinobesucher - der Anfang sein. Die ersten Bilder zeigen eine völlig zerstörte, postapokalyptische Welt. Menschen und Mutanten sind nahezu völlig ausgestorben. Der Grund dafür sind vom Menschen geschaffene Maschinen, die Sentinels. Ursprünglich dazu entwickelt die Welt von Mutanten zu befreien, richteten sie sich auch gegen ihre menschlichen Erfinder. Nur wenige Mutanten befinden sich auf der Flucht und suchen fiebrig nach einem Mittel, um ihre Verfolger zu besiegen. Unter ihnen befinden sich die altbekanten Recken Wolverine (Hugh Jackman), Storm (Halle Berry), Professor X (Patrick Steward) und Magneto (Ian McKellan). Und genau an diesem Punkt sollten Kenner der Filme die Stirn runzeln, bildet diese Schauspielerriege doch die Besetzung der abgeschlossenen Trilogie aus den Jahren 2000 bis 2006. Im Vorgängerfilm sah man eine Art Vorgeschichte zu eben diesen Filmen, in der sich die X Men als Teenager bzw. junge Erwachsene kennenlernten und die legendäre Gruppe formten, die Fans schon seit Jahrzehnten in Form von Comics begleiteten.

Nun jedoch sehen wir zunächst die Besetzung der letzten Filme, wie sie vor ihren übermächtigen Jägern fliehen und sich in einer Bergfestung verschanzen, um verzweifelt einen letzten Rettungs-Versuch zu wagen:
Jemand von ihnen muss mit Hilfe der Fähigkeiten von Zeitmanipulations-Mutantin Shadowcat (Ellen Page) in der Zeit zurückreisen, um die Erfindung der lebensbedrohlichen Maschinen zu verhindern.
Der einzige Mutant, der für eine solch strapaziöse Zeitreise in Frage kommt ist Wolverine, auf dem nun - Marveltypisch - die Hoffnungen der verbleibenden Menschen und Mutanten lasten. Nur er kann das Aussterben verhindern. Doch in der Vegangenheit muss er erst einmal das zerstrittene Trio Xavier (James McAvoy), Raven (Jennifer Lawrence) und Erik (Michael Fassbender) alias Mister X, Mystique und Magneto zusammenführen, um gemeinsam gegen Professor Bolivar Trask (Peter Dinklage) vorzugehen, der mit Hilfe von Mystiques Genen kurz davor ist die Sentinels zu erschaffen.

Der Plot des Filmes wirkt interessant, jedoch hat sich die Xmen-Reihe damit dem Rest der Marvel-Filme noch stärker angenährt. Während die erste Trilogie mit ihrem Kampf Mensch gegen Mutant noch als eine Parabel auf unsere heutige Gesellschaft gesehen werden könnte, geht es nun um simple Schwarz-Weiß-Malerei, oder: Gut gegen Böse, die Xmen gegen Trask und die Sentinels und Magneto gegen den Rest. Das nimmt dem Film die Tiefe, bietet aber mehr Platz für Action und Humor (s. alte Marvel-Formel). Und in den beiden Punkten bietet der Film eine für eine Produktion des Comic-Giganten überdurchschnittliche Qualität an. Während man in Thor regelrecht mit CGI zugeballert wurde und eine Action-Szene die nächste jagte, hat "Zukunft ist Vergangenheit" ein Pacing entwickelt, welches sehr viel abwechslunsgreicher und somit wohlschmeckender ausgefallen ist. Es gibt viele Dialog-Passagen, die mal für mal von plötzlich ausbrechender Action abgelöst werden. Das sorgt dafür, dass der Zuschauer am Ball bleibt und sich nicht wie bei Iron Man und Konsorten nach kurzer Zeit des Denkens entledigt, um ohne gefordert zu werden dem bunten Trubel auf der Leinwand zu folgen. Auch in Sachen Humor wird eine weniger plakative Fahrtrichtung eingeschlagen. Statt plumpen One-Linern wird hier mehr auf situationsbedingte Komik und subtile Anspielungen gesetzt, was definitiv als Verbesserung zu Filmen der anderen Marken verstanden werden kann.


Am besten jedoch funktioniert der Film, wenn er beide Elemente mischt und das hat Regisseur
Bryan Singer, welcher auch schon Teil eins und zwei der ersten Trilogie abdrehte, das ein oder andere Mal wirklich toll umgesetzt. Ohne viel zu spoilern gehört die Ein- und Ausbruch-Szene im Pentagon zu den besten und unterhaltsamsten Kinomomenten seit langer Zeit. Natürlich spielt den Machern des Filmes da auch das Universum der Xmen in die Karten, da es schier unendlich Fähigkeiten gibt, mit denen sich die Schreiberlinge und Effektdesigner nach Laune austoben können und so wirklich einzigartige Momente schaffen.

Der zweite große Pluspunkt ist, dass man sich plotbedingt an den beiden hochkarätigen Besetzungen  des Trilogie-Duos bedienen darf und so ein selten dagewesenes Staraufgebot vorweisen darf, das sich eigentlich nur hinter den Expandables verstecken muss. Bei Weitem nicht alle Hollywood-Sternchen haben ihre berechtigte Screentime bekommen und so werden Halle Berry, Ellen Page und einige andere fast schon verheizt nicht zuletzt, weil Zweidrittel des Filmes nun mal in der Vergangenheit spielen und sich so um den jüngeren Cast rund um Fassbender, McAvoy und Lawrence drehen. Lediglich Serien-Veteran Hugh Jackman kann da als Wolverine mithalten.

Das klingt alles nach einem absoluten Kinoblockbuster und bleibt man bei diesen Punkten, wird der Film diesem gesteckten Ziel auch absolut gerecht. Was jedoch sein größtes Problem ist, ist der Plot. Die beiden Casts aller Film-Teile zu vereinen war eine tolle Idee und die Zeitreise dafür natürlich die dankbarste Lösung. Jedoch hatte ich ein riesen Logikproblem, welches mir nachhaltig viel am Film kaputt gemacht hat. Warum reist Wolverine in die Vergangenheit? Um den bösen Professor davon abzuhalten fiese Killermaschinen zu bauen! Und warum bringt er diesen Bösewicht nicht in einem einsamen Moment (und davon gibt es im Film einige) einfach zur Strecke, sodass seine geheimen Forschungen und Ideen einfach mit ihm sterben? Weil man dann nicht genügend Plot-Twists und Material für 120 Minuten Film hätte! Alles was nach der Zeitreise Wolverines kommt macht streng genommen einfach keinen Sinn. Er muss weder die drei zerstrittenen Jugendfreunde einen, noch seine Widersacher über den halben Erdball verfolgen. Er müsste nur in eine Wohnung einbrechen und seine klingenbesetzen Hände in die Brust eines Mannes stecken: Problem gelöst. Stattdessen werden im Laufe des Filmes wahnsinnig viele Menschen- und Mutantenleben in Gefahr gebracht und teilweise sogar genommen. Es macht einfach keinen Sinn!

Und daran hatte ich den ganzen Film zu kauen und deshalb konnte er mich mit dem was im Mittelteil und bis zum spannenden Showdown angeboten wurde nicht mehr besänftigen: Es ist einfach ein nicht übersehbarer großer Fehler, der den ganzen Film als eine einzige große Konstruktion enttarnt. Goodbye Logik, Hallo Action! Die von mir gehasste Marvel-Formel findet nun auch in diese Serie Einzug!
Natürlich: Wäre es anders gekommen, hätte ich womöglich niemals gesehen wie Magneto ganze Stadien aus dem Boden reißt und auch der ein oder andere emotionale Moment hätte nicht stattgefunden, aber eine Begründung für all das hätte mir der Film liefern müssen!


Da trösten mich dann auch nicht mehr die grandiosen, bildschirmfüllenden Effekte, die tollen Kamerafahrten und das Duo Fassbender-Lawrence, welches alle anderen im Film in Grund und Boden spielt. Es gibt sogar einen weiteren Schwachpunkt, von dem ich vorher niemals gedacht hätte, das er existieren könnte: James McAvoy! Der spielt den jungen Charles Xavier sehr ernüchternd. Es gibt sogar eine Szene zwischen ihm und Fassbender, die eigentlich emotional berühren sollte, aber dafür sorgte, dass der ganze Saal in Gelächter ausbrach. Dass dieser Mann, der in "Drecksau" eine wirklich beeindruckende Performance lieferte, jemals so enttäuschen kann, hätte ich zuvor nie gedacht. Aber vielleicht passt das letztendlich auch zum Film, der nicht halten kann, was er nach dem ersten Teil des Tripletts versprach.

Was bleibt ist ein spaßiger Actionfilm im X Men-Universum, der grandiose Momente hat, aber im Gesamtbild einfach nicht gewinnen kann. Der Plot im Mittelteil ist einfach nur konstruierter Schwachsinn, umringt von einem tollen Anfang und einem spannenden Finale. Die Stars geben sich reihenweise die Klinke in die Hand, doch Jennifer Lawrence und Michael Fassbender verdrängen den Rest des Ensembles ohne jede Mühe. Man spürt die Vision von Singer, welche er beim Dreh des Streifens hatte, an jeder Ecke des Filmes, aber letztendlich lag es wohl am Drehbuch, dass daraus leider mehr Marvel-Film wurde, als es ihm eigentlich gut tat. Schade!

6/10

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