Artikelsuche

Samstag, 26. April 2014

Ersteindruck: Danganronpa

image


Die Playstation Vita entwickelt sich immer mehr und mehr zur Konsole für Liebhaber von asiatischen Nischen-Titeln. Mittlerweile werden viele Asia-RPGs oder -Adventures veröffentlicht, welche vor wenigen Jahren in Europa wohl auf Grund mangelnder Nachfrage und mutlosen Publishern nicht erschienen wären. “Daganronpa” oder “Trigger Happy Havoc” (wie es in Europa und Amerika heißt) ist eine von diesen fernöstlichen Perlen, die Vita-Besitzer mit Hang zum exotischen Spielspaß nun endlich genießen können. 

"Daganronpa" ist ein asiatisches Text-Adventure ganz im Stile von "9 Hours, 9 Persons, 9 Doors" (999; Nintendo DS) oder "Virtues Last Reward" (VLR; Nintendo DS, PS Vita). Ich werde mir erlauben Daganronpa mit dem Zweitgenannten zu vergleichen, da ich dieses ebenfalls für die Vita besitze und daher am besten vergleichen kann. Ich muss zugeben, dass VLR mein erster Kontakt mit Textadventures aus Fernost war, nicht zuletzt weil Besitzer von stationären Konsolen - wie ich - mit diesem Genre einfach nicht bedient werden. Textadventure scheinen ein Genre zu sein, welches den mobilen Plattformen vorbehalten ist. Dies bietet sich auch an, da sie wie ein Buch funktionieren und deshalb auch ausgepackt werden können, wenn man mal nur 5-10 Minuten Bahnfahrt vor sich hat.

Textadventures als interaktive Bücher zu beschreiben ist wohl ein Vergleich, mit dem man nicht falsch liegen kann. Die meiste Zeit verbringt man mit dem lesen von Texten, seien es Dialoge oder Beschreibungen. Dies ist auch in Daganronpa der Fall. Die Story wird hauptsächlich in Textboxen vorangetrieben, in denen sich Charktere unterhalten oder der Hauptcharakter seine Gedanken mit dem Leser teilt. Zunächst einmal sollte ich die Story kurz einmal erläutern. Da ich erst 4-5 Std im Spiel bin sollte meine Zusammenfassung relativ spoilerfrei sein. Die Wendungen innerhalb dieser ersten Stunden werde ich dennoch nicht ansprechen, falls jemand gänzlich unwissend an das Spiel herangehen möchte. Nur soviel sei gesagt:

Ihr schlüpft in die Rolle von Makoto Naegi, welcher aus heiterem Himmel eine Einladung bekommt an der wohl elitärsten Uni des Landes zu studieren. An dieser werden normalerweise nur Studenten zugelassen, welche sich durch besonders beeindruckende Leistungen auszeichnen und somit öffentliche Anerkennung finden. Makoto ist hingegen ein sehr durchschnittlicher, unauffälliger Student und somit sehr erstaunt vorgeladen zu werden. Ungewissen Herzens folgt er der Einladung zur Eröffnungszeremonie des neuen Semesters, doch schon in der Eingangshalle wird ihm komisch und er bricht zusammen. Als er aufwacht befindet er sich in einem leeren Klassenraum. Auf der Suche nach Antworten stolpert er in der Eingangshalle über 14 andere Erstsemester, denen dasselbe wie ihm wiederfahren ist. Schnell stellen sie fest, dass etwas nicht stimmt. Die Türen der Universität sind allesamt von schweren Eisentoren verriegelt und auch die Fenster sind unter zentimeterdicken Eisenplatten verschlossen. In jedem Winkel der Schule hängen Kameras und Bildschirme, was die Vermutung weckt überwacht zu werden. Inmitten der Verwirrung taucht plötzlich ein bizarr anmutender sprechender Roboter-Teddybär namens Monokuma auf, der den 15 Teenagern die Ausgangslage erklärt: Sie sind in dieser Uni eingeschlossen. Für immer. Es gibt nur eine Möglichkeit diese jemals wieder zu verlassen: Man muss einen seiner Mitstudenten ohne Zeugen töten.


image

Diese beklemmende Ausgangslage gibt Daganronpa von Anfang an eine intensive Spannung. In den ersten 5 Stunden lässt sich das Spiel dennoch Zeit die 15 Chataktere ein wenig kennenzulernen und einen begrenzten Teil der Universität zu erkunden. Anders als bei “Virtues Last Reward” lässt man dem Spieler hier die Möglichkeit sich zwischen den Dialogen und Storysequenzen frei in der Ego-Ansicht durch die Räume zu bewegen. Nichts desto trotz kann ich sagen, dass es sich hierbei trotzdem um ein reinrassiges Textadventure handelt, denn rund 70-80% der ersten Stunden verbrachte ich damit mich durch Textfenster zu klicken. Die Charaktere lassen direkt eine angenehme Tiefe erahnen und sind unterschiedlich genug, sodass jeder einzelne Interesse weckt. Man möchte sie gerne kennenlernen, nicht zuletzt da viele von ihnen etwas zu verbergen scheinen.

Wie man schon erahnt lässt der erste Mord nicht lange auf sich warten. Wird eine Person getötet, so wechselt das Spiel in eine Art investigativen Modus, in dem der Spieler Indizien aus Umgebungen und Gesprächen sammeln muss, um den möglichen Mörder zu enttarnen. Denn zu den Regeln des Hochschullebens in Daganronpa gehört, dass einige Stunden nach dem Mord ein Ratstreffen der Überlebenden einberufen wird, um den Mörder ausfindig zu machen. Wird der Mörder entlarvt, so wird er exekutiert und das Spiel geht für alle anderen weiter. Wird bei der Versammlung die falsche Person als Mörder beschuldigt, so müssen alle unschuldigen Personen sterben und der Mörder darf die Universität als einziger Überlebender verlassen. Somit liegt es an euch innerhalb der Untersuchungs-Phasen die entscheidenden Hinweise zu sammeln und sie logisch verbunden innerhalb der Versammlungen vorzustellen, um den wahren Täter zu enttarnen. Dies geschieht im Spiel innerhalb von dramatisch inszenierter “Action”-Sequenzen, die ähnlich funktionieren wie die Gerichtsverhandlungen in der Phoenix Wright-Reihe. Es ist wirklich tierisch spannend diese Verhandlungen zu führen und ich verrate nicht zu viel wenn ich sage, dass es hierbei die ein oder andere unangenehme Überraschung geben wird.

In den Ruhephasen zwischen den Morden und den Verhandlungen erkundet ihr weiterhin die Räumlichkeiten, sammelt Objekte, redet mit euren Leidensgenossen und versucht Freundschaften zu entwickeln, die scheinbar im späteren Spielverlauf wichtig sein können. Hierzu habe ich innerhalb der ersten paar Stunden noch nicht genügend herausfinde können. Auch viele weitere Teile der Universität durfte ich noch nicht betreten. Das Spiel scheint also im Laufe der Zeit umfangreicher zu werden.

Die Präsentation des Spiels ist gewohnt japanisch. Alles ist knallbunt und im klassischen Stil der Mangas und Animes gehalten. Die Charaktere sind optisch überzeichnet und overacten alle ein wenig, wie man es aus der fernöstlichen Zeichentrickkultur kennt. Das soll aber nicht heißen, dass sich das Spiel harmlos inszeniert. Die Morde sind (sofern ich das bisher sagen kann) nicht gerade zimperlich und unblutig in Szene gesetzt und an Kraftausdrücken wird nicht gespart. Zudem ist die psychische Anspannung während den Verhandlungen und den Storywendungen recht hoch und man fühlt als Spieler sehr mit den Charakteren mit, wenn der Teddy-Psychopath Monokuma seine nächsten Gemeinheiten präsentiert. Schon in meiner geringen Spielzeit ließ sich eine klare Tendenz in Richtung Psychoterror erahnen, die sich im Laufe der Geschichte wohl noch ordentlich erhöhen wird. Nicht umsonst ist das Spiel mit seinem quitschbunten Look von der USK mit einem 16er-Siegel gekennzeichnet worden.

image

Das wichtigste an einem solchen Textadventure dürften wohl die Texte sein und die sind phänomenal geschrieben. Jeder Charakter hat seine Eigenheiten und jeder Dialog liest sich, als wäre er einem Roman eines begabten Autors entsprungen. Die Spannungsbögen der Story sind bisher genau richtig gesetzt. Die ruhigen Phasen sind so kurz wie nötig und die Wendepunkte und Actionsequenzen sind überraschend wie schweißtreibend, sodass man kaum aufhören mag und nach kurzer Zeit regelrecht süchtig wird. Wie nach einem guten Buch eben.

Jedoch sollte man einiges an Sprachkenntnissen mitbringen. Das Spiel hat selbst in der deutschen Version nur englische Texte und auch bei der Sprachausgabe kann man lediglich zwischen Englisch und Japanisch wählen. Zudem sind immer nur einzelne Sätze oder Worte vertont, sodass man wirklich zum lesen gezwungen wird.

Bisher kann ich das Spiel bedingungslos jedem Fan von Textadventures empfehlen und würde sagen, dass es sich sogar perfekt eignet, um neu in das Genre einzusteigen, da es genau die richtige Balance zwischen Lesen und interkativen Eingreifen findet und somit zugänglicher ist, als ein Virtues Last Reward.
Ich werde noch eine finale Meinung bloggen, sobald der Abspann auf meiner Vita gelaufen ist, sodass zögernde Geister sich dann einige finale Worte zum gesamten Spiel anhören können.

J.

Freitag, 25. April 2014

Selbstgespräche: Nach einer Folge True Detective




Es ist ein Trend, der sich schon über viele Jahre entwickelt und langsam zur Normalität wird. Der Schritt weg vom abendlichen Film oder einer Fernsehsendung hin zum Verfolgen einer Serie scheint für immer mehr Menschen der attraktivere zu sein. Gründe dafür dürften neben der kürzeren Spielzeit einer Folge, auch die immer höhere Qualität der Produktionen sein, die einem Kinofilm kaum noch nachstehen. Studios oder Fernsehsender wie AMC, HBO und BBC drehen eine Serie nach der anderen ab und brechen damit reihenweise Zuschauerrekorde, was der Serverzusammenbruch beim Start der vierten "Game of Thrones"-Staffel eindrucksvoll unterstrich. Serien scheinen DAS neue Unterhaltungsmedium zu sein und die neue HBO-Produktion "True Detective" hat das Zeug sich in die Riege der größten von ihnen einzureihen.

Die Serie warf ihren Schatten weit voraus. Getragen von dem Star-Duo Woody Harrelson (Natural Born Killers; Zombieland) und Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club; Der Mandant) wird der Serie schnell Hit-Potential vorausgesagt, wobei das Konzept noch relativ unverbraucht ist: Jede Staffel wird eine in sich abgeschlossene Handlung erzählen. Die Besetzungen werden sich von Season zu Season unterscheiden. Diese Fortsetzungsform hatte man bisher nur in der amerikanischen Horror-Serie American Horror Story umgesetzt. Das Konzept soll die Serie frisch halten und nebenbei auch anderen hochkarätigen Schauspielstars die Möglichkeit geben in künfigen Staffeln Hauptrollen einzunehmen.

Als Serienfan und Sympathisant der beiden Protagonisten war auch ich natürlich gespannt auf den Start der ersten großen Serie im gar nicht mehr so frischen neuen Jahr. Nun ist soeben der Abspann der ersten Folge über den Bildschirm geflimmert und meine Gefühle positionieren sich irgendwo zwischen "Befriedigt" und "Unbefriedigt". Doch beginnen wir am Anfang (leichte Spoiler zur Folge inbegriffen):

Nach einem toll bebilderten und musikalisch passend unterlegtem Vorspann, spuckt die Serie den Zuschauer direkt mitten rein. Ein gewohnt glatzköpfiger Woody Harrelson und ein völlig verkommener McConaughey werden zu einem Fall interviewt, den sie vor gut 17 Jahren einmal lösten. Wir machen einen Zeitsprung und sehen die beiden vor knapp zwei Dekaden, wie sie eben diesen Fall antreten.
Die Serie spielt im Hinterland von Louisiana, wo die Leute - wie McConaugheys Charakter Detective Rustin Cohle so treffend sagt -  fernab von jeder Zivilisation "wie auf dem Mond" leben. Verwahrloste Holzhütten und Wohnwagen wechseln sich mit horizontfüllenden Kornfeldern ab. Und in einem von diesen Feldern geschah der Mord, zu dessen Tatort die beiden Detectives gerufen werden. Alles deutet auf einen Ritualmord hin. Das Opfer ist nackt, mit runenartigen Symbolen bemalt und trägt ein Hirschgeweih als Krone.
Immer wieder springt die Folge in den Zeitebenen. Mal sieht man die Charaktere ermitteln, dann wiederum erzählen sie 17 Jahre später vor der Kamera ihre Einschätzungen und Taten. Was anfangs ein wenig verwirrt, hat nach gut einer halben Stunde schnell seinen Reiz gefunden, da man sieht, wie die Charaktere sich entwickelt haben und die Gründe dafür den Wissensdurst anregen.

Dabei ziehen vor allem die beiden Hauptfiguren direkt in ihren Bann. Der von Harrelson gespielte Detective Martin Hart kennt Louisiana wie seine Westentasche, ist gläubiger Christ und Familienvater. Er ist ein gewissenhafter Cop, die Art die eher aus dem Bauch entscheidet, als den großen Denker raushängen lässt. Das blonde Haar sitzt ebenso wie seine Uniform.
McConaugheys Cohle ist da ein ganz anderes Kaliber. Ein Pessimist, ein Gottloser. Ein Mensch der auf einem Drahtseil balanciert und immer droht abzurutschen und die Kontrolle über sein Leben zu verlieren.
Den Mensch sieht er als Fehler der Natur, seine eigene Existenz ist etwas, das er nur schwer akzeptieren kann. Seine Tochter starb, seine Ehe zerbrach und er flüchtete sich in den Alkohol. Er ist der erfolgreiche Ermittler, der die Fälle mit Wissen und Verstand löst und vor sieben Monaten nach Louisiana versetzt wurde, um das Department dort scheinbar auszuwerten.
Das Aufeinandertreffen dieser beiden Menschen ist äußerst interessant und birgt Potential für viele Konflikte auf verschiedenen Ebenen, wie sie auch schon in der ersten Folge angedeutet werden. Es gibt ein herrliches Gespräch im Auto, in dem Hart Cohle fragt, ob er denn gläubig sei. Das daraufhin entstehende Wortduell ist ein echtes Highlight und zeigt, dass hier absolute Meister am Drehbuch saßen. Man darf wirklich gespannt sein, wie sich die Beziehung der beiden noch entwickeln wird. Und das ist auch schon der erste kleine Kritikpunkt an der ersten Folge: Die Charaktere sind interessanter als der bis dato dargestellte Plot. Trotz skurrilem Szenario fehlt das Interesse an dem Ritualmord zumindest bei mir. Die damit verbundenen Ermittlungen der ersten Episode geben uns interessante Einblicke in die Psyche der beiden Protagonisten, bieten aber nicht genug Andeutungen, um den Zuschauer auch für den Fall an sich zu begeistern.

Martin Hart (Woody Harrelson) und Rustin Cohle (Matthew McConaughey)
Wie schon angesprochen reißen aber die Charaktere die Aufmerksamkeit an sich und gaben mir das Gefühl, dass man hier in den nächsten Episoden noch großes erwarten kann. Schon allein wie aus Rustin Cohle, den wir oben auf dem Bild noch als gepflegten, adrett gekleideten Ermittler sehen 17 Jahre später ein verkommener rückfälliger Alkoholiker mit langen ungepflegten Haaren und Bikerschnurrbart wurde, interessiert mich brennend. Und wenn man die Charakterzeichnung sieht, mache ich mir absolut keine Sorgen, dass der Plot nicht in Fahrt kommen könnte. Da scheinen Leute am Drehbuch gesessen zu haben, die ihr Fach absolut verstehen und die Fähigkeiten besitzen dem Zuschauer in den kommenden Episoden die ein oder andere fiese Wendung an den Kopf zu werfen.

Was mir extrem gut gefiel, war die Inszenierung. Hier ist nichts reißerisch, schnell geschnitten oder forciert auf Action getrimmt. Die Serie wirkt ruhig erzählt, behäbig und zieht ihre Spannung aus den Dialogen und Andeutungen. Die Landschaftsaufnahmen des hinterwäldlerischen Louisianas wecken Interesse am kaum verbrauchten Szenario. Die heruntergekommenen Hütten, Bars und Häuser bieten perfekte Locations für erschütternde Szenen und Dramatik und die Bewohner dieser scheinen ebenso gottesfürchtig wie sozial isoliert. Es gab kaum eine Serie, die mir allein durch ihre Umwelt so viel Interesse entlockte.

Und dennoch bin ich durch den bisher uninteressanten Fall, der hier dem Plot unterliegt nicht vollends befriedigt. Ich hoffe, dass schon in Folge 2 die entscheidenden Karten ausgespielt werden, um mich auch auf dieser Ebene zu locken. Szenario, Machart und vor allem die Charaktere machen Lust auf mehr und kreieren Vorfreude auf kommende Episoden. True Detective entscheidet sich hier nicht für den Brachialstart wie zum Beispiel ein Breaking Bad es tat, in dem Walther White wie ein Wahnsinniger nur in Unterhose und mit Pistole den Wohnwagen durch die Prärie prescht, sondern beginnt seine Geschichte mit Charakterzeichnung. Dies ist erfrischend und wird der Serie sicher gut tun, weil man nun mit dem Gefühl die Hauptfiguren zu kennen der nächsten Folge entgegenschreitet. Ich bin gespannt, ob man sich traut diese Tempo auch für den Rest der Staffel beizubehalten. Ich würde es mir fast wünschen.

True Detective hat mich noch nicht vollständig ergriffen, aber bei all dem Potential und der Sorgfalt die in Szenario und Chataktere gesteckt wurde, ist es nun noch eine Frage der Zeit.

J.

Donnerstag, 24. April 2014

Angehört: Chet Faker - Built on Glass


Gut zwei Jahre hat Chet Faker seine Fans warten lassen. Der 24-jährige Vollbartträger aus Australien veröffentlichte 2012 seine vielversprechende EP "Thinking in Textures" bevor er sich im Studio einschloss, um sich vollends seinem ersten Longplay-Ausflug zu widmen. Was dabei rauskam ist all das, was man von ihm erwartet, jedoch auch einiges mehr. Das Ausbauen seiner Trademarks, aber auch das muntere Experimentieren mit verschiedenen Genres begleitet von der unerschütterlichen Lässigkeit in seiner Stimme, die uns alle seit seinem ersten Internet-Hit "No Diggity" absolut fasziniert.

Zugegebenermaßen waren meine Erwartungen an Fakers erstes Album nicht gerade niedrig. Das lag sowohl an seiner hervorragenden EP als auch an der Zusammenarbeit mit Jung-Genie Flume auf deren gemeinsamer "Lock Jaw EP".  Wie nährt man sich nun einem Debut mit einer solchen Erwartungshaltung? Zunächst war ich mir nicht so sicher. Doch nachdem die ersten Pianoklänge des Openers "Release your Problems" sich mit dem Beat vermischten, war die Antwort gefunden: Relaxt.

Es ist schon faszinierend, wie schnell die Musik mich in ihrem "Vibe" gefangen hatte. Der Beat setzt ein, der Körper entspannt sich, der Kopf fängt kaum merklich an zu Nicken und man weiß, dass alles gut wird. Die Zurückgelehntheit der ersten Single-Auskopplung "Talk is Cheap" muss man einfach selber erleben. Die sanft angezerrte Gitarre und das Saxophon, das im Hintergrund vor sich hin groovt, lassen den Hörer instinktartig das nächste Sofa suchen und die Augen schließen. Es ist Balsam für die Seele.

Fakers Musik ist RnB, sie ist Elektro, aber auch Pop. Doch der Gesang würde jeden Soul-Song sofort aufwerten. All die Elemente dieser verschiedenen Genres greifen so perfekt ineinander, dass man sich wundert, warum niemand davor diesen Cocktail gemixt hat. Der Gesang ist wunderbar ruhig und doch emotional, die Texte beschäftigen sich zwar mit Herzschmerz und Liebe, ziehen jedoch nicht runter, sondern animieren zum mitsingen und -summen. Auf "Melt" befindet sich das einzige Feature des Albums. Die amerikanische Vokalistin Kilo Kish bildet das weibliche Pendant zu Faker und ist somit ein angenehm auffälliger Farbklecks im stimmfarblich gleichmäßigem Gemälde des Hausherren.

Dass er auch einen Schritt zulegen kann, beweist dieser mit "Gold", welches basslastiger daherkommt und den Zuhörer mit Handclaps zurück in aktivere Gefilde holt. Hier wird auch klar, dass Faker über eine angenehme Breite in seinen Stimmlagen verfügt und diese stellt er hier gerne zur Schau, bevor es dann mit "To Me" wieder souliger wird. Die Ballade ist der Song, der in diesem großartigen Album noch am wenigsten funktioniert. Umringt von musikalischen Hochkarätern wirkt er mit seinen Chören zu aufgeblasen und fast schon ein wenig zu popig, wenn nicht kitschig. Das klingt jetzt dramatischer als es ist, denn ich meckere hier vorsichtig und auf hohem Niveau.

In "Blush" wird es dann experimenteller. Die Stimme wird verzerrt, der Beat ist - vom Piano begleitet - weitaus mehr von Elektronica geprägt. Dieser Song ist in der Albummitte perfekt gesetzt, um den Hörer wieder aufmerksam zu machen, bevor er zu sehr in die warmen, souligen Tiefen entgleitet. Ähnlich geht es mit "1998" weiter. Auf einem housigen, von Handclaps und Snare begleiteten Beat singt Chet Faker leicht nostalgisch über seine Jugend und erweitert sein Album um eine durchaus tanzbare Facette, bevor es dann mit "Cigarettes & Loneliness" ein fast achtminütiges, von der Gitarre getragenes Songwriter-Stück gibt, welches zwar leicht gleichförmig und womöglich auch einen Tick zu lang ist, mit gelegentlichem Schlagzeug und Einsatz von Zweitstimmen aber in Kombination mit dem hörenswerten Text durchaus eine Daseinsberechtigung hat. Faker experimentiert halt gerne und hat sich auch mit diesem Teil seiner musikalischen Vielfältigkeit keinen Fehltritt geleistet.

Nun setzt "Lesson In Patience" ein und das Konzept des Albums wird dem Hörer spätestens hier bewusst. Während die erste Hälfte des Albums absolut relaxt, verträumt und soulig war, dient die Zweite für musikalische Experimente und Kreativität. Der Song ist ein reines Instrumental, in dem Faker lediglich leicht klagende Töne singt, während das Saxophon frech und leicht schief vor sich hiner soliert.

Den Schlusspunkt setzt das tolle "Dead Body", welches dann nochmal zur ersten Albumhälfte und der damit verbundenen Lässigkeit zurückfindet. Eine entspannte E-Gitarre begleitet Chet Fakers ruhigen Gesang hin zum Albumende und schreckt auch vor dem ein oder anderen Solo nicht zurück. Ein grandioser Abschluss für ein Debut, welches nahezu ohne Fehler auskommt.

"Built on Glass" ist ein fantastisches Album geworden. Wenn man sich bewusst macht, dass es das erste eines Musikers ist, der sich noch in der ersten Hälfte der Zwanziger befindet, dann gerät man schon ins staunen. Chet Faker ist sich seiner Stärken bewusst und verpackt sie in perfekt ausgearbeitete Songs ("Talk is Cheap", "Melt", "Dead Body"), hat jedoch auch den künstlerischen Ehrgeiz und den Mut sich nicht auf diesen auszuruhen, sondern seine musikalischen Grenzen auszuprobieren, was ihm über weite Strecken beachtenswert gut gelingt ("Blush", "1998", "Lessons in Patience"). Der leichte Kitsch, der in "To Me" Einklang findet und das etwas zu lange "Cigarettes & Loneliness" verhindern hier zwar die Höchstwertung, jedoch wäre es auch erschreckend, wenn ein so junger Debütant direkt eine Punktlandung hinlegen würde.
Was bleibt ist ein heißer Anwärter auf die Top Ten des Jahres 2014 und ein grandioses Album für den Ausklang eines langen Tages.

9/10

J.


Selbstgespräche: The Waiting Dead oder: Meine Hassliebe zu Telltale Games (Stand: Februar '14)

image
"The Walking Dead" ist unumstritten eine der erfolgreichesten Fernsehserien der letzten Jahre. Mittlerweile blickt die Serie auf stolze vier Staffeln zurück. Eine fünfte ist schon in der Mache und ein Ende nicht in Sicht. Die Lizenz dazu zu benutzen auf dem Videospiel-Markt einige Euros einzunehmen ist da so nachvollziehbar wie der Erfolg der Marke. Zombies funktionieren immer und scheinen dem zahlenden Publikum einfach nicht langweilig zu werden. Nun wäre es naheliegend aus diesem Szenario einen Shooter oder ein Horrorspiel zu basteln, jedoch entschied sich Telltale Games, ein bis dahin kaum bekanntes Entwicklerteam aus Kalifornien, für einen gänzlich anderen Weg: den eines Adventures mit starkem Fokus auf Story und Charakteren. Und dieses Konzept sollte belohnt werden. Über 80 "Game of the Year"-Awards machten das in fünf Episoden unterteilte Spiel zu einem der erfolgreichesten der Dekade und bekräftigten Telltale darin ihren Weg fortzusetzen. 

Zunächst einmal oute ich mich als Fan der TV-Serie. Die erste Staffel empfand ich als grandios, die zweite war schwächer, jedoch immer noch interessant genug, um mich bei der Stange zu halten und die dritte war mir zu gewaltfokussiert und platt. Jedoch überwiegt der positive Gesamteindruck und so freute ich mich sehr über die Ankündigung einer Lizenz-Versoftung. Zwar gibt es in der Vergangenheit unzählige Beispiele von Spielen mit Lizenz-Hintergrund, die völliger Müll waren und nur mit kommerziellen Hintergedanken auf den Markt geschleudert wurden, aber ein paar Hände voll großartiger Titel stehen diesen entgegen und als Zocker lässt man sich von den Entwicklern gerne Mal ums Mal aufs neue den Mund wässrig machen. Auch ich erwartete bei “The Walking Dead” (TWD) ein Actionspiel mit Horrorelementen und staunte nicht schlecht, als sich Telltale dieser Sache annahmen und ein Adventure ankündigten. Skepsis ist da natürlich die erste Reaktion. Nicht zuletzt, weil Telltale bis dahin kaum bekannt war und nur durch mäßige bis schlechte Adventure-Titel (Jurassic Park, Zurück in die Zukunft, usw.) aufgefallen war, bei denen sie auch Lizenzen von berühmten Filmen als Vorlagen nahmen. Nichts desto trotz überwiegt die Neugier und so zog ich mir die erste Episode von TWD direkt am Releasetag auf meine Xbox. Was dann in den nächsten 2-3 Spielstunden passierte ist mit “ich war überrascht” noch untertrieben. Ich war hin und weg. Toll ausgearbeitete Charaktere, Dramatik, kleinere Action-Sequenzen, das richtige Maß an Blut und knifflige Entscheidungen samt harter Konsequenzen. Das Spiel hatte ein Konzept auf das ich sofort ansprang. Als am Ende der ersten Episode der “to be continued”-Screen eingeblendet wurde, wollte ich am liebsten direkt weiterspielen.

Und scheinbar ging es nicht nur mir so. In Internetforen und in meinem Freundeskreis deckten sich die Meinungen mit meiner. Die Tests diverser Magazine fielen überraschend - aber völlig berechtigt - hoch aus. Überall fand man den Satz “Ich will Episode 2!” und Telltale versprach im Monatsrhythmus neue Episoden. Doch schon die zweite ließ auf sich warten. Statt einem Monate brauchte man zwei. Entschuldigungen waren schnell gefunden. Man arbeite unter Hochdruck und verspricht bei kommenden Episoden einen genaueren Release. Doch auch Episode 3 ließ wieder zwei weitere Monate auf sich warten und versetze die Fans in angesäuerte Ungeduld. Telltale versprach auch hier Besserung für die Zukunft und es sah so aus, als ob sie ihre internen Prozesse besser planen könnten: Episode 4 und 5 erschienen im Monats-Takt und die Fans schienen versöhnt. Soweit zur Vorgeschichte.

image

Nach dem Erfolg der ersten Staffel des Videospiels, welches zudem auf den Konsolen, dem PC und mobilen Plattformen wie den iOS-Geräten oder Der PS Vita erschien und somit ein breites Publikum fand, tat wäre es ein Fehler von Telltale gewesen die Reihe hier enden zu lassen. Auch viele Fans kommunizierten direkt nach dem Ende der Staffel, dass man hunrig auf mehr sei. Diesen Wunsch erfüllte Telltale den Fans - nicht zuletzt, weil der Erfolg zukünftige hohe Einnahmen versprach. Die zweite Staffel wurde angekündigt und neben ihr wollte man sich an einem weiteres Projekt versuchen: “The Wolf Among US” (TWAU) basierend auf der Comic-Vorlage “Fables” von Bill Willingham.

Nachdem mich Telltale mit der gesamten TWD-Staffel völlig geplättet hatte und eines der besten Spielerlebnisse der letzten Jahre bot brauche ich natürlich nicht weiter zu erwähnen, dass ich mich tierisch über weitere Episoden zu diesem Erlebnis freuen würde. Auch gespannt war ich auf die neue Marke, die man hier umsetzen wollte.

Im Oktober dann kam dann beglückte Telltale die neugierigen Fans mit der ersten TWAU-Episode und zeigte, dass TWD nicht ein glücklicher Schuss war. Auch die neue Marke war qualitativ grandios und machte Lust auf mehr. Das Szenario war außergewöhnlich, die Story interessant und Telltale würzte das Ganze mit ihrem Erfolgskonzept aus dem geistigen Zombie-Vorgänger: Emotionen, Entscheidungen, Konsequenzen. Telltale kündigte auch hier einen regelmäßigen Rhythmus an und ich dachte mir, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte und nun die Kapazitäten aufgestockt hatte oder zumindest realistische Erscheinungs-Daten nannte. Doch dies war nicht der Fall: Es wurde schlimmer! Viel schlimmer!

Telltale schien alles vergessen zu haben, was sie in der Vergangenheit auf gut deutsch “verkackt” haben. Die zweite Episode von TWAU kam im Februar 2014, genau 4 (!) Monate später! Für ein Spiel mit Episodenformat, welches einer Fernsehserie gleicht ist das fast schon tödlich! Man stelle sich einmal vor man müsse nach einer Folge “Breaking Bad” 4 Monate auf die nächste warten. Das Interesse würde sinken, die Wut steigen. Sympathien für die Macher würden verschwinden. So war es bei mir bei Telltale. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie nach all der Kritik der Vergangenheit, nach all den Fehlern und einsichtigen Statements nun alles noch schlimmer werden konnte. Und anstatt dann wenigstens dazu zu stehen, dass man intern Probleme zu haben schien und sich auf Problem- und Lösungssuche zu begeben lud man sich nun zwei Projekte auf den Rücken, die man stemmen muss: TWAU und die zweite Staffel TWD! Man kann soviel nachdenken wie man will, eine vernünftige Argumentation für eine solche Entscheidung wird niemand finden!

Und nun denkt man vielleicht: Das war ein Ausrutscher! Telltale wird bestimmt sofort das Team vergrößert haben, nachdem sie gemerkt haben, dass die alten Probleme weiterhin existieren! Jaein! Sie haben das Team vergrößert. Ein Ausrutscher scheint es aber wohl kaum zu sein. Immerhin warten die Fans nun schon seit gut drei Monaten auf die nächste Episode der neuen TWD-Staffel, deren erster Teil schon Anfang Dezember 2013 erschien. Für mich ist das mittlerweile einfach unbegreiflich. Klar: Die Qualität bei Telltale-Spielen ist (wenn man die technische Ebene mit ihren Rucklern weglässt) immer gut bis sehr gut, ABER die Veröffentlichungspolitik und die Kommunikation nach Außen hin ist eine glatte Katastrophe und ein Schlag ins Gesicht für die Fans, die sich die Episoden fleißig kaufen oder sogar direkt mit dem Season Pass vorbestellen.

image

Und für diejenigen, die ernsthaft glauben, dass es nicht noch schlimmer geht oder werden kann habe ich jetzt noch zwei weitere Argumente, warum ich auch daran stark zweifele:

1. Es gibt immer noch kein Release-Datum für TWD2 Episode 2

2. Telltale kündigte in nicht allzu ferner Vergangenheit an, dass sie zur Erfolgs-Fernsehserie “Game of Thrones” und zum Shooter-Duett “Borderlands 1&2” ebenfalls Adventures im Episodenformat  herausbringen wollen. Erste Episoden sollen schon 2014 veröffentlicht werden.

Somit wird Telltale Games vier Projekte stemmen müssen, die sich garantiert überschneiden werden. Wenn die Entwickler schon bei zwei parallel laufenden Spiele-Serien ihre Episioden in fast vierteljährlichem Rhythmus rausbringen, dann will man sich als leidgeplagter Fan dieser Spiele nicht ausmalen, was man da noch erwarten muss.

Spiele im Episoden-Format leben davon, dass man regelmäßig in kurzen Zeitabständen neue Inhalte vorgesetzt bekommt. Ansonsten schrumpft das Interesse und (was mindestens genauso schlimm ist) die Erinnerungen und Emotionen, die man mit den vorangegangenen Erlebnissen der letzten Folge verbindet verblassen und verlieren ihre Wirkung. Genau das habe ich stark bei TWAU gemerkt. Teilweise wusste ich nicht einmal mehr was passiert war, wer die Charaktere waren und was für Entscheidungen ich traf. Telltale versuchte diesen Brand ein wenig zu löschen, indem sie einem die Schlüsselszenen der ersten Episode zu Beginn der zweiten noch einmal kurz zusammenschnitten. Dies war jedoch (zumindest auf der Xbox) von so derben Rucklern geplagt, dass man weder Spaß daran hatte, noch so wirklich verstand, was da denn gerade passierte, da die Ruckler eine Latenz zwischen Bild und Ton erzeugten, die 1-2 Sekunden betrug. Man sitzt bei Telltale Games also 4 Monate an einer Fortsetzung und kriegt dann noch nicht mal die Technik in den Griff.

Liebe Entwickler bei Telltale: Ich mag euch! Ihr habt mir intensive und erinnungswerte Momente in virtuellen Welten beschert, die zu den tollsten meiner Spiele-Karriere gehören. Aber so wie ihr mit eurer Fanbase umgeht ist es nur schwer nicht langsam wütend zu werden. Die Wartezeiten zwischen den Episoden kann man mittlerweile getrost als “unverschämt” einstufen und die Flut an neuen Projekten bezüglich auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit als “größenwahnsinnig”. Ich hoffe wirklich, dass ihr das Ruder irgendwie rumgerissen kriegt und mich davon überzeugt, dass auf euch doch noch Verlass ist. Aber den Glauben daran hab ich lange aufgegeben. Ob ich dann im Juli 2014 die nächste Episode TWAU spielen möchte, wage ich ernsthaft zu bezweifeln…

J.

Gesichtet: Static - Bewegungslos

image
Das traute Eigenheim ist im Horrorgenre längst kein sicherer Ort mehr. Man wird von Geistern heimgesucht, von Monstern geplagt oder unbekannten Eindringlingen belästigt. Letzteres passiert den Hauptfiguren in “Static - Bewegungslos”, dem Regiedebut von Todd Levin. Somit ist der Film wieder einmal ein Beitrag zum “Home Invasion”-Genre, welches sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreut. Ein Regiedebut, welches den Weg ohne Kinovergangenheit oder großen Namen im Regiestuhl in die Videotheken findet. Kann das überhaupt was werden? 

Die Geschichte des Films habe ich eigentlich schon fast komplett in der Einleitung beschrieben. Jonathan (Milo Ventimiglia) und Addie (Sarah Shahi) leben leicht abgeschieden im gemeinsamen Haus irgendwo im Hinterland eines US-Bundesstaates. Vor nicht allzu langer Zeit verloren sie auf dramatische Art und Weise ihren kleinen Sohn bei einem Unfall, weswegen beide mit Schuldgefühlen zu kämpfen haben, die sie gerne einmal aneinander auslassen. Jonathan ist ein Autor und legt beim Feinschliff seines neusten Werkes eine Nachtschicht ein, als plötzlich jemand an der Tür klingelt. Draußen findet er die völlig verängstigte Rachel (Sara Paxton) vor, die auf der Flucht vor unbekannten Männern mit Gasmasken ist, die ihr Auto aus dem Nichts attackierten. Addie und Jonathan geben ihr eine Zuflucht für die Nacht. Doch die Verfolger sind nicht ganz unwissend über Rachels Versteck. Und wer ist diese Rachel eigentlich? Und warum weiß sie so gut über Jonathans Privatleben und dessen Bücher Bescheid?

image

Static beginnt gemächlich und nimmt sich ein wenig Zeit, um die Beziehung des Hauptdarsteller-Pärchens zu skizzieren und den Unfall des Sohnes zu erläutern. Die beiden pendeln zwischen Liebe und Wut, zwischen gutgemeintem Zuspruch und Vorwurf. Recht authentisch wird hier das Bild eines Paares gezeichnet, dessen Ehe durch die Schuld und die Erinnerungen fast zerbricht, obwohl Liebe und Gedanken an eine gute Vergangenheit die Hoffnung nicht sterben lassen. Mit dem Auftauchen von Rachel nimmt der Film jedoch an langsam an Fahrt auf. Die unbekannten Männer mit Gasmasken wecken das Interesse des Zuschauers. Doch schnell wird bewusst, dass der Film es Szene um Szene verpasst das Tempo zu erhöhen und somit Spannung zu kreieren. Die Unbekannten dringen in das Haus ein und machen Jagd auf deren Bewohner, aber irgendwie wirkt jedes Ereignis unspektakulär und stellenweise gar harmlos. Eine echte Bedrohung geht von den Maskierten nie aus, zumal sie sich von den Protagonisten auch viel zu einfach niederknüppeln lassen.

Dieses Problem begleitet den Film wie ein klebriger Kaugummi. Es will einfach keine Spannung aufkommen. Kein Gefühl von Gefahr oder Bedrohung stellt sich ein, sobald der Zuschauer bemerkt wie die Gasmaskenträger agieren. Ihre Überzahl zerstören sie durch grenzdebiles Handeln und eine unbegründete Langsamkeit ihrer Bewegungen wieder und wirken einfach nie richtig gefährlich für die Hausbewohner. Somit bleibt der Film über 2/3 seiner Spielzeit ein durchschaubares und langatmiges Stück Home Invastion. Im letzten Drittel jedoch wird es durch den ein oder anderen Twist interessanter, wenn es darum geht die Identität der Rachel zu lüften. Schnell wird Addie und Jonathan klar, dass es ganz andere Gründe für den Angriff der Unbekannten gibt und dass sie beide auch eine nicht unbedeutende Rolle spielen. Das Ende wird somit zumindest thematisch interessant, auch wenn die Präsentation hier wieder sehr tempoarm ausfällt. Zumindest kann man sagen, dass mit dem Ausgang des Filmes so niemand rechnen kann. Ob er sinnvoll und positiv auf die Qualität wirkt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich empfand ihn als wenig innovativ und zu konstruiert.

image

Somit hat sich Regisseur Todd Levin hier mit seinem Debut nicht mit Rum bekleckert. Man merkt ihm an vielen Stellen mangelnde Erfahrung an und zu viele Szenen werden klischeehaft gelöst. Antiquitierte, längst überholte Horror-Elemente wie z.B. das nicht anspringende Auto langweilen einfach nur und ließen mich mit dem Kopf schütteln. Die fehlende Spannung ist da nur ein weiterer Punkt von vielen. Was man jedoch auf der “Haben”-Seite auflisten muss ist, dass der Film nie wie eine Billigproduktion wirkt. Die Kameraeinstellungen sind gut gewählt und die erschaffene Atmosphäre, welche die Bilder erzählen ist auf gutem Niveau und lassen erahnen, dass hier ein solider Thriller hätte entstehen können, nicht zuletzt da die Darsteller auch akzeptable Arbeit leisten.

Somit bleibt von Static nicht viel übrig, was aus ihm einen guten Film machen würde. Einigen Zuschauern könnte das Ende gefallen, wobei es mir - wie schon erwähnt - einfach zu konstruiert und bekannt vorkam. In schönen Bildern wird hier ein spannungsarmer Home Invasion-Thriller abgespult, der ohne inszenatorische Höhepunkte auskommt. Was Mut für die nächsten Werke von Levin macht ist die Atmosphäre und das Talent durch die Kamera Qualität zu erzeugen. Jedoch muss er sich in allen anderen Belangen noch ein ganzes Stück verbessern. “Bewegungslos” ist leider nicht nur der Untertitel des Filmes.
4/10
J.

Gesichtet: Cheap Thrills

image

"Cheap Thrills" ist zwar kein Horrorfilm oder ein Streifen mit Splattereinlagen, jedoch ist er auf seine eigene Art ein schwerverdaulicher Brocken. Daher habe ich entschieden, dass er einen Platz in dieser Reihe bekommen sollte. Nicht zuletzt, weil er als kleine, unbekannte Perle durchaus Beachtung verdient. 

Es gibt Tage, an denen läuft einfach alles schief. Familienvater Craig (Pat Healy) verliert seinen Job und der Vermieter droht mit dem baldigen Rausschmiss, sollte die nächste Miete nicht in den nächsten Tagen eintrudeln. An eben diesem Tag sucht Craig seinen Trost in einer Bar und gibt sich dem Alkohol hin, als er seinen alten Schulfreund Vince (Ethan Embry) wiedertrifft. Lange hatten sie sich nicht gesehen und während die beiden in Erinnerungen schwelgen gesellt sich ein Pärchen zu ihnen. Colin (David Koechner) und Violet (Sara Paxton) feiern den Geburtstag Zweiterer. Schnell wird den alten Schulfreunden bewusst, dass Colin Berge von Geld besitzen muss, denn er lädt die beiden ein mitzufeiern und kredenzt nur die edelsten Tropfen. Mit steigender Stimmung und steigendem Pegel erfindet der scheinbare Millionär ein Spielchen für Craig und Vince: Er denkt sich Dinge aus, die einer von den beiden tun soll. Und dieser bekommt dann eine ordentliche Summe Geld von ihm bar auf die Hand. Nachdem Vince für 200 Mäuse einer Stripperin kräftigst auf den Hintern haut, muss die Party notgedrungen in das Haus des reichen Pärchens verlegt werden. Doch je weiter die Zeit voran schreitet, desto abstruser werden die Aufgaben und schon bald entbrennt aus dem spaßig gemeinten Spiel ein erbitterter Wettkampf zwischen den beiden Jugendfreunden. Denn beide befinden sich in einer finanziell aussichtslosen Lage und können das Geld sehr gut gebrauchen. Mit den Preisen steigt die Rivalität und der Härtegrad der Aufgaben und schon bald gerät alles außer Kontrolle.

image

Cheap Thrills beginnt als schwarze Komödie und wird nach und nach immer mehr zu einem harten, unangenehmen Thriller, der eine bizarre Situation nach der anderen aus dem Hut zaubert. Gerade im Mittelteil weiß man das ein oder andere Mal nicht, ob man über das Gezeigte lachen oder schockiert sein soll. Den Spagat zwischen Belustigung und Abscheu schafft der Film ganz hervorragend und zum Ende hin kann man nicht mehr anders, als leicht perplex auf den Bildschirm zu schauen. Den humorvollen Unterton verliert der Film nie vollkommen, jedoch wird er mit steigender Gewalt immer leiser.

Die Aufgaben schrauben die Rivalität zwischen den beiden Freunden immer höher und schon bald merken sie, dass sie für Geld die ein oder andere Grenze überschreiten würden, ums ich aus ihren Notlagen zu befreien. Die Motivation von Vince wird hierbei nicht ganz so nachvollziehbar offenbart wie die von Craig, der um die Existenz seiner kleinen Familie kämpft. Jedoch vergessen die beiden ihre Freundschaft mit jeder weiteren Etappe immer mehr. Diese Entwicklung zeigt der Film sehr gut und weiß sie auch packend und schonungslos zu inszenieren. Es gibt bei Weitem keine Gore- oder Splattereinlagen, jedoch gibt es die ein oder andere fiese und auch blutige Szene. Dadurch, dass diese sehr realistisch und ungeschönt ausfallen, wirken sie auch härter, als die überdrehten Gewaltausbrüche vieler Genrekollegen. Der Streifen ist einfach über einige Strecken hin sehr unangenehm und hält - zwar leicht überzogen, aber dennoch treffend - dem materialistisch veranlagten Menschen der Gegenwart den Spiegel vor die Nase. Wie weit würde man für Geld gehen? Was würde man tun für 200, 3000 oder gar 25.000 Dollar Bargeld?

image

Die Darsteller kamen in ihren bisherigen Laufbahnen kaum über Nebenrollen in kleineren Streifen hinaus, jedoch trägt gerade das auch zur Authenzität des Filmes bei. Den unverbrauchten Gesichtern kauft man die Situationen einfach einen ganzen Tick besser ab, als einem Ensemble von größeren Namen. Zudem wird hier von dem Quartett - allen voran David Koechner als sadistischer wandelnder Geldsack - wirklich gute Arbeit geleistet. Man nimmt sie zu jeder Zeit in ihren Rollen samt Emotionen ernst.

Mit 85 Minuten ist der Film zwar alles andere als lang, aber dadurch schafft er es nie langweilig zu sein. Die erste halbe Stunde geht es noch recht gemächlich zu, da die Charaktere in Ruhe vorgestellt werden und somit auch Platz für ausgelassene Feierstimmung und den ein oder anderen Gag bleibt. Doch sobald die Vier in Colins Haus angelangt sind, zieht der Film konstant an bis zum fiesen Finale, welches leider dann doch ziemlich vorhersehbar ist. Der Weg dorthin birgt aber - wie schon erwähnt - einige fiese Szenen.

"Cheap Thrills" ist ein kleiner gemeiner Film über die konsumorientierten, materialistischen Monster, die in jedem von uns schlummern. Geld regiert die Welt und die Aussicht auf große Mengen in kurzer Zeit lässt Menschen schnell egoistisch und gierig werden. Genau das zeigt der Film hier auf leicht überzogene und blutige Weise, sodass man ihn als schwarze Komödie mit satirischen Elementen bezeichnen könnte. Jedoch bleibt dem Zuschauer das Schmunzeln ein ums andere Mal im Halse stecken, denn der Film hat Zähne und er beißt gerne mal unverhofft zu. Der Konflikt der beiden Freunde ist der Nährstoff für den Plot und Sadist David Koechner führt schelmisch grinsend Regie. Fieser Geheimtipp! 

7/10

J.

Gesichtet: Blutgletscher

image
Diese neue Rubrik steht ganz im Zeichen meines Lieblingsgenres, dem Horrorfilm. Jeder neue Film, der mir vor die Augen kommt wird hier auseinandergenommen. Die Ehre des Erstlings hat “Blutgletscher”, eine österreichischer Monster-Horror mit einem recht unverbrauchten Szenario. 

Die Klimakatastrophe ist im Gange. Nicht nur in Film, denn man kann sie auch jeden Tag bei uns beobachten, wenn man möchte. Ein Beispiel dafür sind die Gletscher. Sie schmelzen Jahr für Jahr und werden immer kleiner. Natürlich betrachten Wissenschaftler dies mit großer Sorge und warnen mit den neusten Ergebnissen ihrer Forschungen. In “Blutgletscher" untersucht ein Forschungsteam bestehend aus drei Wissenschaftlern, einem Ingeneur und einem Hund die besorgniserregenden Entwicklungen eines nicht näher genannten Gletschers in Österreich. Auf über 3500 Metern Höhe machen sie eine grausige Entdeckung: Eine organische blutähnliche und bis dato völlig unbekannte rote Substanz durchtränkt von einem Tag auf den anderen einen Großteil der Eismassen. Natürlich sind die Forscher zunächst Feuer und Flamme, doch schnell finden sie heraus, was für eine Gefahr ihre Neuentdeckung mit sich bringt und schon bald gibt es die ersten Toten.

"Blutgletscher" funktioniert dann am besten, wenn man möglichst wenig weiß. Daher werde ich nicht näher auf die Eigenschaften der besagten roten Substanz eingehen. Nur soviel sei gesagt: Die Erklärung ist kreativ und schenkt dem Film sowohl einen interessanten Hintergrund, als auch tolle Monster.
Der Film beginnt recht verhalten und offenbart direkt zu Beginn seine Schwächen. Die Charaktere sind allesamt unsympathisch, sie agieren teilweise alles andere als logisch und das Aufbauen von Spannung vor den Schockszenen gelingt kaum. Doch sobald die wissenschaftliche Komponente dank der Entdeckung der Substanz dazu kommt, hat der Film mich dann doch fesseln können, da die Idee einfach sehr interessant ist und viel Potential birgt. Dieses nutzt der Film in seinem Rahmen (er kommt immerhin “nur” aus Österreich) gut aus, auch wenn natürlich Luft nach oben bleibt. Eine gewisse Faszination für das, was dort geschieht war bei mir aber durchaus vorhanden.

image

Leider flacht der Film nach einem gelungenen Mittelteil wieder ab und verfällt in die Muster des Beginns. Die Schockeffekte werden wohl nur Genre-Neulinge aus dem Sessel heben, denn sie sind zu offensichtlich und orientieren sich an längst im Genre gängigen Mustern. Hinzu kommt, dass viel zu viel mit Jumpscares gearbeitet wird, die nach meinem Geschmack endlich mal dezimiert gehören. Zudem konnten die unsympathischen Charaktere mich einfach nicht für sich gewinnen. Mitfühlen konnte ich nur, wenn der Hund involviert war.

Die aus Deutschland und Österreich stammenden Schauspieler (u.a. Gerhard Liebmann und Edita Malovcic) konnten nicht wirklich überzeugen. Das liegt zum einen am Overacting, das der ein oder andere an den Tag legt, zum anderen aber eben auch daran, dass sie keinerlei Sympathien erwecken können. Liebmann zum Beispiel spielt einen saufenden, ewig schlecht gelaunten Ingeneur, der immer genervt in seinen Bart nuschelt. Malovcic hingegen die hysterische, besserwisserische Wissenschaftlerin, die dauerhaft ihre Tage zu haben scheint. Es gibt einfach niemanden in diesem Fim, mit dem man mitfühlen möchte, da die Distanz durch Antipathie einfach zu hoch ist.  Zudem sein noch gesagt, dass Jeder, der Probleme mit österreichischem Akzent hat, hier wohl wenig Spaß haben wird.

Was ganz klar eine Stärke des Films ist, sind die Monstereffekte. Die sind meist handgemacht und ansehnlich. Auch wenn mal der ein oder andere Effekt aus dem Computer kommt, wirkt das immer hochwertig und mit Liebe zum Detail. Die Kreaturen schaffen es - auch durch teils ekliges Aussehen - Unbehagen auszulösen und hatten somit wesentlich Potential, als der Film letztendlich nutzte. Trotzdem hielten mich gerade diese Variationen der Monster bei der Stange, da ich einfach wissen wollte, was die Macher sich sonst noch haben einfallen lassen. Inspiration fand man hier bei dem Horror-Klassiker “Das Ding aus einer anderen Welt”, an dem sich der Film auch außerhalb des Kreaturendesigns hier und da bedient. Auffällig sind hier besonders die Keilereien und das Misstrauen zwischen den Teammitgliedern, die definitiv von Carpenters “Ding”-Remake inspiriert sind. Dies ist aber keine Schwäche, sondern wertet den Film ein wenig auf.

image

Gore- und Splatterfreunde werden an “Blutgletscher” wohl keinen gefallen finden. Zwar gibt es die ein oder andere blutige Szene, jedoch wird es nie richtig explizit. Das schadet dem Film zwar nicht, jedoch boten die Monster durchaus die Möglichkeit für die ein oder andere fiese Einlage. Ein klarer Schwachpunkt des Filmes ist, dass er nie anspannend oder gruselig ist. Die Schockeffekte kündigen sich - wie schon anfangs erwähnt - zu früh an und funktionieren nicht. Und auch sonst kommt einfach nie Grusel auf. Gerade wenn man den antarktischen SciFi-Horror-Paten des Filmes anguckt, weiß man, dass da wesentlich mehr möglich gewesen wäre.

Was am Ende bleibt ist ein durchschnittlicher Film, der dank dem Monsterdesign und der tollen Idee, die hinter diesen steckt, Interesse wecken kann, ansonsten aber sein Potential nicht nutzt. Die unsymathischen Charaktere und der fehlende Horror lassen den Zuschauer kaum emotional teilhaben. Gerade der Vergleich zu den “Ding”-Filmen, dem sich “Blutgletscher” durch seine klaren parallelen Stellen muss, wertet den Film zusätzlich nochmal ab, da er nie in die Dimensionen der Inspirationsquelle kommt. Monster-Fans jedoch bekommen trotzdem einige interessante Szenen und einen netten wissenschaftlichen Hintergrund mit leichter Öko-Botschaft. Alle anderen dürften mit dem Ausflug ins Eis wohl nicht glücklich werden. 

5/10

J.

Gesichtet: Der Hunderjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

image
Es gibt sie eben doch noch: Die Kinoerlebnisse, die einen völlig verblüffen können! Nach einem langen Arbeitstag setzte ich mich gestern in den gut gefüllten Kinosaal, um an der wöchentlichen Sneak Preview teilzunehmen. In den Prognosen waren nur hochkarätige Filme vertreten und so rechnete ich mit einem gelungenen Filmabend. Den bekam ich dann auch, nur war es keiner der prognostizierten Filme, sondern einer, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Und das völlig unberechtigt! Diese wundervoll schwarzhumorige Komödie aus Norwegen verdient die Beachtung der breiten Masse. Und nun kann ich zumindest ein wenig dazu beitragen, dass sie diese auch findet!  

Allan Karlsson (Großartig: Robert Gustafsson) blickt auf ein ereignisreiches und langes Leben zurück. Heute ist sein 100. Geburtstag und man möchte meinen, dass sein Leben nun so langsam dem Finale entgegenschreitet. Doch gerade dieser Tag ist ein besonderer, an dem sein Leben nochmal eine schicksalhafte Wende nehmen soll. Aber der Reihe nach:
Allan hat keine Familie mehr. Schon im frühen Kindesalter verlor er erst seinen Vater, der als mehr oder weniger selbstständiger Revolutionär den Tod durch kommunistische Hand fand, und dann seine Mutter, welche irgendwann einer Krankheit erlag. Seitdem war Allan Vollwaise. Es gab keine Familie mehr, die ihn hätte aufnehmen können und so landete er in einem Heim. Doch anders als man meinen könnte, war dies für ihn keine Katastrophe, denn Allan war ein sonderbarer Junge. Leicht debil war er, und naiv. Und er hatte eine große Leidenschaft: Sprengstoff! Schon im Kindheitsalter jagte er alles was er finden konnte mit Begeisterung in die Luft. Und diese Begeisterung sollte sein Leben für immer verändern, denn schon bald brach der zweite Weltkrieg aus und Allan war mittendrin. Wie eine europäische Version von Forrest Gump nimmt er eher zufällig als gewollt an vielen entscheidenden und berühmten Ereignissen während und nach dem zweiten Weltkrieg teil und greift unbewusst geschichtsprägend ein. Seiner Liebe zum Sprengstoff verdankt er dann letztendlich auch, dass er hohen Alters in einem Altersheim einquartiert wird, da man sein Herumspielen mit hochexplosiven Stoffen für zu gefährlich hält. Da sitzt er nun an seinem 100. Geburtstag und ist hochgradig unzufrieden. Die Welt, die er in seinem Leben bereist hat lockt immer noch und so steigt er einfach aus dem Fenster seines Erdgeschosszimmers, kauft sich ein Busticket nach “egal wohin” und verschwindet. Unterwegs kommt ihm ein Koffer unter, der eigl einer Motorradbande gehört. Inhalt: 50 Millionen Kronen. Natürich wollen die Eigentümer die wertvolle Fracht zurückhaben. Es beginnt die Hatz eines 100-jährigen Mannes, der mit seinem Leben noch lange nicht abgeschlossen hat.

image

Die Parallelen des Filmes zu seinem scheinbar großen amerikanischen Vorbild “Forrest Gump” sind unübersehbar. Wir haben den leicht zurückgebliebenen Protagonisten, der regelmäßig in die Weltgeschichte eingreift, verschiedene Länder besucht und auf seiner Reise allerlei kuriose Gestalten trifft. Was den Film jedoch gänzlich in eine andere Richtung steuern lässt, ist der tiefschwarze Humor. Im Minutentakt feuert man Gags auf den Zuschauer, die fast alle perfekt funktionieren. So eine hohe Dichte an großartig witzigen Szenen habe ich seit dem ersten “Hangover” nicht mehr erlebt.

Man kann die Gewichtung zwischen aktuell geschehender Handlung und Allans Erzählungen aus der Vergangenheit ungefähr 50:50 gewichten. Jedoch kriegt man hier keine akkuraten Geschichtsstunden serviert, denn der Humor steht immer im Vordergrund mit einer besonderen Vorliebe für bizarre Situationen. So erfindet Allan versehentlich die Atombombe mit, besäuft sich mit Stalin und lernt Albert Einsteins grenzdebilen Bruder in einem Gulak kennen. All das ist so komisch, dass es einfach nur Freude macht dem Geschehen zu folgen.

Was dem Film klar fehlt ist ein roter Faden. Es wird oft in den Zeiten gesprungen und lange weiß man nicht so recht, wohin der Film eigentlich führen soll. Jedoch tut das dem Film nicht wirklich weh, denn der Unterhaltungsfaktor ist einfach so hoch, dass man sich als Zuschauer gerne abholen lässt. Der Film wechselt seine Orte ebenso schnell wie seine Charaktere, sodass sich gerade gegen Ende leichte Sättigung einstellt. Dies war bei mir 10 Minuten vor Schluss der Fall. Da sich dann aber zügig das Finale anbahnte, wurde der erste Blick auf die Uhr noch gerade so abgewehrt. Diese 10 Minuten ist der Film trotzdem zu lang. 2-3 Szenen hätte man durchaus kürzen oder weglassen können, aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn letztendlich wird man ja auch in dieser Zeit gut unterhalten.

Die Charaktere des Filmes sind einfach herrlich sympathisch, allen voran natürlich Allan, dem man sein Alter ebenso optisch wie auch geistig anmerkt. Technik ist für ihn ebenso ein Feind, wie Schnelligkeit. Im Laufe des Filmes sammelt er eine illustre Schar an Menschen um sich herum, die man am besten selber als Zuschauer kennenlernt, daher werde ich zu diesen kein Wort verlieren. Toll gespielt sind sie aber allesamt und zudem besitzen sie genug Tiefe, um wirklich menschlich und nicht deplatziert in den vielen Szenen zu wirken.

Der kleine Star des Films sind jedoch die Kulissen. Allan reist durch Länder und Jahreszeiten und regelmäßig sind die Szenerien wirklich toll anzusehen. Hier und da sieht man, dass beispielsweise der Rauch nach Explosionen aus dem Computer kommt, jedoch stört das nur solange, bis die nächste tolle Landschaft über die Leinwand zieht. Und in diesen Kulissen toben sich sowohl der Regisseur, als auch der Cast richtig aus. Es gibt genug Action, sowie auch ruhige fast emotionale Momente, sodass man sich auf eine angenehm abwechslungreiche Fahrt durch das Leben eines ganz besonderen Mannes begeben kann. Natürlich spielen Liebe und Tod dort zentrale Rollen, ebenso wie das Thema des Alt werdens und der Einsamkeit. Die emotionale Qualität des Herren Gump erreicht man zwar nie ganz, dafür punktet man aber mit politisch unkorrekten Szenen und kuriosen Einfällen, die sich der Ami-Vorzeigefilm definitiv nicht getraut hätte.

image

"Der Hundertjährige…" ist eine der besten Kino-Komödien seit langer Zeit und gerade so erfrischend, weil er mal nicht aus Hollywood kommt, sondern aus dem schönen Norwegen, das regelmäßig seine schönsten Seiten vor dem Zuschauer entfaltet. Das "Forrest Gump"-Rezept mundet hier noch ein zweites Mal, da die lose Kopie nicht stört, nicht zuletzt weil die Gewichtung hin zum schwarzen Humor einen deutlichen Kontrast zeichnet. Für mich war der Film ein magisches Kinoerlebnis, mit dem ich so niemals gerechnet hätte. Wer einfach mal wieder Lust auf "Feel Good"-Kino hat, der sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen. Wer weiß, wann man das nächste Mal so viel im Kino lachen darf. 

8/10

J.

Gesichtet: Man of Tai Chi

image
Keanu Reeves wagt den nächsten Schritt. Nachdem er in letzter Zeit kaum in auf der Leinwand zu sehen war und sein letzter Film “47 Ronin” gnadenlos gefloppt ist, sucht er nun neue Herausforderungen und besetzt den Regiestuhl selber. Sein Erstlingswerk “Man of Tai Chi” ist ein Eastern mit Fokus auf Martial Arts-Einlagen geworden, mit ihm selbst in einer Nebenrolle. Ganz kann der Hollywood-Veteran dann doch nicht auf seine Screentime verzichten und spielt den Boss einer Argentur, die illegale Kämpfe inszeniert. Doch all das rettet “Man of Tai Chi” mal wieder nicht davor ein unterdurchschnittlicher Film mit dem Herrn Reeves zu werden.  

Chen Lin-Hu (Tiger Hu Chen) führt ein ungewöhnliches Leben, zumindest wenn man es aus unserer westlichen Perspektive betrachtet: Vormittags fährt er als Paketlieferant durch die überfüllten Straßen Pekings. Nach Feierabend besucht er ein Kloster auf dem Land und übt sich in der Kunst des Tai Chi. Eines schicksalhaften Tages nimmt Chen an einem Turnier für verschiedene Kampfkunstformen teil und gewinnt auf recht beeindruckende Weise als Außenseiter, da er eine Kampfkunst praktiziert, die im Volksmund eher belächelt wird. Seine Leistungen bleiben nicht unhonoriert und so wird sehr schnell Donaka Mark (Keanu Reeves) auf den Jungen aufmerksam. Mark betreibt ein Unternehmen, welches illegale Kämpfe zwischen Kämpfern verschiedenster Kampfkünste ins Internet überträgt. Gegen einen ordentlichen Batzen Geld können Schaulustige diesen via Stream beiwohnen. Da das Kloster seines Meisters dringend renoviert werden muss, lässt sich Chen zu einem Engagement bei Marks Unternehmen überreden und für ihn zu kämpfen. Doch schon bald merkt er, dass dies ein fataler Fehler war, denn Mark verlangt, dass der Gewinner eines Kampfes den Verlierer vor laufender Kamera tötet. Dies widerspricht der Moral von Chen, jedoch ist es zu spät um einen Rückzieher zu machen und so bleibt ihm nur eine Option übrig: Er muss sich gegen seine Unterdrücker wenden.

image

Man braucht keine Lupe, um zu erkennen, dass die Story des Filmes vor Klischees nur so strotzt und eher Mittel zum Zweck ist, um den Platz zwischen den Kampfszenen zu füllen. Die Kämpfe sind zugegebenermaßen gut bis hervorragend choreographiert und wurden nicht durch zu hektische Schnitte verschandelt, wie das in den letzten Jahren zur zweifelhaften Mode geworden ist. Jedoch waren das auch die einzigen Pluspunkte des Films. Alles abseits von Kameraarbeit und Kloppereien kann man leider nur als misslungen bezeichnen.

Das beginnt natürlich bei der Geschichte. Niemand erwartet von einem Martial Arts Film tief greifende Erzählungen oder Charakterstudien, aber ein bisschen weniger Klischee wäre wirklich schön gewesen. Stellenweise wirkt alles auch viel zu konstruiert. Chen bekommt gerade das Angebot gestellt und lehnt zunächst ab, da er nicht für Geld kämpfen möchte. In der nächsten Szene fährt er zum Kloster und findet seinen Meister mit einem Brief von der Gemeinde vor, der besagt, dass das Kloster baufällig ist und ohne Renovierung geschlossen werden muss, somit fährt er zurück und sagt dem Angebot zu. Das ist selbst für einen Film, bei dem Story zur Nebensache gehört einfach nicht genug, zumal diese Szenen nur beispielhaft für einige stehen, die in den Film gefunden haben. Weder Regie, noch Drehbuch haben da funktionierende Lösungen zu bieten.

Das die Charaktere nicht besonders tief angelegt sind, ist natürich zu erwarten. Jedoch versucht der Film ungeschickt gerade bei Chen Tiefe zu erschaffen. Er zofft sich mit seinem Boss, hat konträre Meinungen gegenüber seinem Meister was sein Tai Chi angeht und will fürs Kämpfen nicht monetär entlohnt werden. Doch all diese Ansätze verliert der Film im Laufe der Zeit, um sich auf das Kämpfen zu konzentrieren und die Entwicklung von Chens Charakter besinnt sich kaum darauf zurück, sodass man sich hier fragen muss, warum man in den ersten Szenen versucht ihn weiter zu zeichne, als es nötig ist. Stattdessen wird Chen viel zu schnell zum Brutalo, der Spaß daran findet, beim Kampf möglichst fies vorzugehen.

image

Tiger Hu Chen spielt seinen Charakter viel zu stoisch. Er läuft mit ewig gleichem Gesicht durch die Szenerien und zeigt nur beim Kämpfen Emotionen. Gerade hier hätte man mit simplen Mitteln die anfangs angedeutete Charaktertiefe durch ein vielseitigeres Schauspiel verfolgen können. Auch Keanu Reeves bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten als sadistischer Boss zurück. Man nimmt seinem Charakter zwar seine Boshaftigkeit ab, jedoch wirkt er immer irgendwie berechenbar, was ihn gleichzeitig auch langweilig dastehen lässt. Stellenweise wirkt der Film unfreiwillig komisch. Wenn z.B. Reeves mit wutverzerrtem Gesicht in die Kamera brüllt, konnte ich mir das Lachen einfach nicht verkneifen. Und kein Film kann sich einen Bösewicht leisten, den man nicht ernst nehmen kann.

Auch was Kulissen angeht bewegt der Film sich nur zwischen Arenen, sterilen Räumlichkeiten und urbanen Landschaften. Das ist nicht schlimm, denn der Fokus liegt klar auf dem Kampf. Jedoch kann es nie schaden ein paar optische Schauwerte zu bieten, gerade wenn der Rest des Filmes in der grauen Masse der Belanglosigkeit abtaucht.

Letztendlich muss man sagen, dass Keanu Reeves Regie-Debut ein ebenso großer Flop ist, wie sein letzter Leinwandauftritt bei den Ronin. Zu viel Wert wurde auf die Choreograophien gelegt, zu sehr wurde der Rest vernachlässigt. Selbst bei einem Martial Arts Film reichen gute Kämpfe und eine solide Kamera nicht aus, um zu überzeugen, erst recht wenn man keine Charaktere hat mit denen man mitfiebern kann. Unfreiwillige Komik und die Abstinenz von jeglichen Emotionen liefern hier ein steriles Filmerlebnis ohne Höhepunkte. 

4/10

J.

Gesichtet: 300 - Rise of an Empire


image
Acht Jahre ist es her, seitdem Regisseur Zack Snyder (Man of Steel, Suckerpunch) 300 Spartaner auf der Leinwand gegen eine übermächtige persische Armee anrennen ließ. Der Film, basierend auf dem Kult-Comic von Frank Miller (u.a. auch Sin City), war ein blutiges, pathosgetränktes Epos, welches mittlerweile ähnlich wie die Vorlage einen kultigen Ruf in der Filmgemeinde genießt. Snyder schaffte es durch einen stilistischen Overkill, denkwürdige Szenen und epische Inszenierung ein neues Zeitalter der Comic-Verfilmungen einzuläuten, abseits von den Teenager-Magneten von DC und Marvel. 300 war hart, blutig und dreckig. Er berichtete von dem hoffnungslosen Kampf des spartanischen Königs Leonidas, der seine 300 besten Krieger um sich schart, um in einem Selbstmordkommando ganz Griechenland zu schützen. Am Ende lagen die Spartaner alle tot im Staub und die Perser triumphierten. Die Armee von Xerxes (Rodrigo Santoro), dem persischen Gottkönig marschierte gen Athen, um auch den Rest Griechenlands zu unterwerfen. 

Betrachtet man 300: Rise of an Empire als klassische Fortsetzung, so erwartet man, dass die neuste Regiearbeit von Noam Murro (Smart People) genau dort ansetzt, wo der Vorgänger aufhörte. Doch der zweite Teil nimmt sich die Zeit und erzählt über sein erstes Drittel die Geschichte vom Aufstieg Xerxes’ zum Gottkönig.
Wir starten direkt mit einer Schlachtszene in den Film, die dem Zuschauer suggerieren soll: Trotz Wechsel im Registuhl hat sich nichts geändert! Wir sehen in einer Rückblende, wie die Spartaner und Perser das erste Mal aufeinander treffen. Damals wurden die persischen Streitmächte noch von König Dareios, Xerxes’ Vater, auf Eroberungszug geführt. Der Sohnemann war jedoch mit von der Partie und sollte erste Kriegsluft schnuppern. Doch dann passierte es: Durch eine List fällt Dareios auf dem Schlachtfeld und die Perser müssen sich zurückziehen. Xerxes schwört Rache für seinen Vater zu nehmen und Griechenland bei seinem nächsten Feldzug zu erobern.
image
Doch worum geht es in diesem eigentlich als Nachfolger definiertem Film eigentlich? Nachdem Xerxes seine Truppen mobilisiert und gen Griechenland geschickt hat, liegt es an Themistokles (Sullivan Stapleton) die Armeen der griechischen Stadtstaate zu einigen und gegen die Perser zu schicken. Dazu reist er quer durch das Land, um die einzelnen Regionen von einer Zusammenarbeit zu überzeugen. Doch schnell wird klar, dass Xerxes nicht die einzige Gefahr ist. Während der persische Herrscher den Landweg über Sparta (s. erster Teil) nach Griechenland beschreitet, kommt ein weiterer Teil seiner Armee mit Schiffen über den Wasserweg. Angeführt von Artimisia (Eva Green), welche Xerxes’ Admiralin ist, bahnt sich eine Flotte von tausend Schiffen den Weg zur griechischen Küste. Als Themistokles davon Wind bekommt weiß er, dass diese Flotte gestoppt werden muss, da sein geliebtes Vaterland sonst verloren ist. Mit einer eigenen Schiffsflotte, welche jedoch nur einen Bruchteil der persischen Flotte darstellt, segelt er mit seiner Armee den Persern entgegen und es kommt zur alles entscheidenden Schacht.

Murro scheint verstanden zu haben, was den Erfolg des ersten Teils ausmachte und setzt auch in seinem Film bewusst auf diese Trademarks. In der schon erwöhnten Anfangs-Schlacht folgen wir einem Spartaner, der sich beeindruckend choreographiert durch Horden von Persern metzelt. CGI-Blut ergießt sich hier regelrecht über den Bildschirm, Körperteile werden von ihren Besitzern getrennt und Zeitlupeneffekte verdeutlichen fast schon spürbar die Härte der Schnitte und Schläge. Als Fan des ersten Films kann man da nur vergnügt mit der Zunge schnalzen und sich entspannt zurücklehnen.

Im gesamten Film wirken die Szenen, Schlachten, Dialoge, Kamerafahrten und Landschaftsaufnahmen so, als ob sie von einem Fan gedreht wurden, welcher seinem geliebten Film mit eben diesem Nachfolger Tribut zollen möchte. Wenn Griechen-Anführer Themistokles  seine mit Pathos getränkten Reden vor einem Meer durchtrainierter, halbnackter Männer hält und diese mit begeisterndem Geschrei quittiert werden, dann hat man Leonidas und seine 299 Spartaner vor Augen, die sich für die Schlacht wappnen. Auf der anderen Seite sieht man Artimisia als grausame, sadistische Ersatz-Herrscherin, die alles daran setzt diesen Krieg zu gewinnen und auch vor ihren eigenen Leuten nicht halt macht, wenn es darum geht Blut zu vergießen und ihren Ruf als unbarmherzige Kriegsherrin zu verbreiten. Somit hat man dieselbe Charakter-Aufteilung wie im ersten Teil. Eine kleine Armee unter Führung eines griechischen Helden gegen eine übermächtige persische Streitmacht beherrscht von einer grausamen Tyrannin. Früher hieß es “Leonidas gegen Xerxes”, nun “Themistokles gegen Artimisia”.


image

Natürlich lebt auch 300: Rise of an Empire von seinen Schlachtszenen. Zwar gibt es zwischendurch auch ruhigere Momente in denen den Charakteren ein wenig Tiefe verliehen wird, jedoch überwiegen eindeutig die Kämpfe und deren Vorbereitungen. Die Charaktere bleiben, die beiden Heeresführer ausgenommen flach und klischeebehaftet. Da gibt es natürlich die klassische Vater-Sohn-Beziehung und die beiden Freunde fürs Leben, die Seite an Seite kämpfen. Dies ist ebenso alt wie kitschig, aber solche Story-Elemente gehören in ein Schlachten-Epos nunmal ebenso dazu, wie Schwerter und der rote Lebenssaft. Spannender anzuschauen ist da schon der Konflikt zwischen Themistokles und Artimisia, die sich natürlich im Film das ein oder andere Mal begegnen. Es ist da natürlich nicht zuviel verraten (Vorsicht, Mini-Spoiler!), wenn man da obligatorische Sex-Szene erwähnt, bei der beide ebenso um die Dominanz beim Akt kämpfen, wie um den Sieg des Krieges. Unterhaltsam!

Sullivan Stapleton und Eva Green spielen ihre Rollen sehr routiniert, wobei gerade Green ihrer Darstellung von Artimisia immer mal wieder aufmerksamkeitserregende Akzente setzt. Als Zuschauer bekommt man das ein oder andere Mal Respekt, wenn man den Wahnsinn in ihren Augen sieht. Da stiehlt sie Stapleton eindeutig die Show, weil dieser über eine solide Schauspielerei nicht herauskommt und hier und da mal nur knapp am Kitsch vorbei spielt, was jedoch auch der Auslegung seiner Rolle geschuldet ist. Alle anderen Darsteller spielen ihre Rollen ebenso wenig erwähnens- wie störenswert. Einen den Cast dominierenden Darsteller, wie es Gerard Butler als Leonidas war, gibt es diesmal nicht.
Optisch gibt es den gewohnten 300-Stil zu sehen, den man ohne nähere Beschreibungen als regelmäßiger Betrachter von Filmen vor Augen haben sollte, jedoch verdient die Kamera-Arbeit ein besonderes Lob. Die Schlachten sind opulent gefilmt und werden immer von waghalsigen und passenden Kamerawinkeln und -fahrten eingefangen. Die Hektik kommt hierbei sehr gut rüber ohne dass der Zuschauer allzu oft den Überblick verliert. Oftmals folgt man wie in einem Videospiel einer Figur, welche sich choreographiert durch Horden von Widersachern metzelt. Zeitlupen geben jedem Schlag und jedem Schnitt Gewicht, während das CGI-Blut ganze Meere rot färbt.

image

Sehr erfrischend ist der Fokus der Kämpfe, der dieses Mal klar auf Seeschlachten liegt. Die Schiffe werden unterhaltsam in die Kämpfe eingebunden und dieses Schlachten-Szenario ist noch so unverbraucht, dass man ein ums andere Mal schmunzelt und staunt, was da gerade auf der Leinwand passiert. Passend dazu gibt es natürlich die tobende raue See inmitten von Stürmen, die die eh schon brachialen Kämpfe noch einmal dramatischer wirken lässt. Optisch ist hier alles wie aus einem Guss und - so finde ich - nochmal eine Steigerung zum eh schon grandiosen Vorgänger.

Doch leider ist Optik bei Weitem nicht alles. Neben den - Eva Green ausgenommen - schwachen Charakteren ist vor allem die Story, sowie deren Präsentation der größte Schwachpunkt des Filmes. Es gibt einfach keinen roten Faden. Munter wird ein Prolog erzählt, dann ein Parallelstrang zum ersten Film. Erst das letzte Drittel des Filmes spielt nach dem Untergang der 300 Spartaner und kann somit als nachfolgende Handlung gesehen werden. Dies führt zwar dazu, dass man sieht was während der Kämpfe bei Sparta in dem Rest Griechenlands geschah, jedoch wird bei dem Film das weitere Schicksal des Landes nicht weitergesponnen. Der Film endet mit einem Cliffhanger, welcher auf eine finale Schlacht zwischen persischen und griechischen Truppen in einem womöglich folgenden Teil schließen lässt. Das befriedigt den bis dahin gut unterhaltenen Zuschauer kein bisschen und wirkt wie ein dahingeschluderter Abschluss. Dies mag daran liegen, dass die Comic-Vorlage, auf der auch dieser Film basiert noch nicht fertiggestellt ist und somit das Ende einfach fehlt, jedoch ist dies keine Entschuldigung für diesen erheblichen Makel des Films. Auch gibt es hier und da einige Ungereimtheiten zwischen dem ersten und dem zweiten 300-Teil, die den Fans der Filme zusätzlich übel aufstoßen könnten. So grandios der Film optisch und während der Schlachten unterhält, so enttäuscht er dann doch bei der Verknüpfung und Fortführung der Geschichte.

"300: Rise of an Empire" ist kein schlechter Film, jedoch einer der leider versagt seine Geschichte konsequent zu erzählen und fortzuführen. Es ist jedoch eine besondere Qualität, dass er durch optische und inszenatorische Stärken diese Minus-Punkte zumindest bis zum schwachen Ende überschattet. Für Fans ist dieser Film sowieso Pflicht. Sympathisanten des ersten Teiles werden in jeder Minute gut unterhalten - was einfach den spektakulären Schlachten zu verdanken ist -  jedoch werden sie die Mängel des Filmes auch stärker gewichten. Der Film verspielt viel Potential und bleibt so hinter seinem Vorgänger und den Erwartungen zurück. Dennoch reicht es für eine Empfehlung für jeden, der für Popcorn-Kino zu begeistern ist und mit viel Blut und exzessiver Gewaltdarstellung leben kann.

6,5/10

J.