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Donnerstag, 24. April 2014

Selbstgespräche: The Waiting Dead oder: Meine Hassliebe zu Telltale Games (Stand: Februar '14)

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"The Walking Dead" ist unumstritten eine der erfolgreichesten Fernsehserien der letzten Jahre. Mittlerweile blickt die Serie auf stolze vier Staffeln zurück. Eine fünfte ist schon in der Mache und ein Ende nicht in Sicht. Die Lizenz dazu zu benutzen auf dem Videospiel-Markt einige Euros einzunehmen ist da so nachvollziehbar wie der Erfolg der Marke. Zombies funktionieren immer und scheinen dem zahlenden Publikum einfach nicht langweilig zu werden. Nun wäre es naheliegend aus diesem Szenario einen Shooter oder ein Horrorspiel zu basteln, jedoch entschied sich Telltale Games, ein bis dahin kaum bekanntes Entwicklerteam aus Kalifornien, für einen gänzlich anderen Weg: den eines Adventures mit starkem Fokus auf Story und Charakteren. Und dieses Konzept sollte belohnt werden. Über 80 "Game of the Year"-Awards machten das in fünf Episoden unterteilte Spiel zu einem der erfolgreichesten der Dekade und bekräftigten Telltale darin ihren Weg fortzusetzen. 

Zunächst einmal oute ich mich als Fan der TV-Serie. Die erste Staffel empfand ich als grandios, die zweite war schwächer, jedoch immer noch interessant genug, um mich bei der Stange zu halten und die dritte war mir zu gewaltfokussiert und platt. Jedoch überwiegt der positive Gesamteindruck und so freute ich mich sehr über die Ankündigung einer Lizenz-Versoftung. Zwar gibt es in der Vergangenheit unzählige Beispiele von Spielen mit Lizenz-Hintergrund, die völliger Müll waren und nur mit kommerziellen Hintergedanken auf den Markt geschleudert wurden, aber ein paar Hände voll großartiger Titel stehen diesen entgegen und als Zocker lässt man sich von den Entwicklern gerne Mal ums Mal aufs neue den Mund wässrig machen. Auch ich erwartete bei “The Walking Dead” (TWD) ein Actionspiel mit Horrorelementen und staunte nicht schlecht, als sich Telltale dieser Sache annahmen und ein Adventure ankündigten. Skepsis ist da natürlich die erste Reaktion. Nicht zuletzt, weil Telltale bis dahin kaum bekannt war und nur durch mäßige bis schlechte Adventure-Titel (Jurassic Park, Zurück in die Zukunft, usw.) aufgefallen war, bei denen sie auch Lizenzen von berühmten Filmen als Vorlagen nahmen. Nichts desto trotz überwiegt die Neugier und so zog ich mir die erste Episode von TWD direkt am Releasetag auf meine Xbox. Was dann in den nächsten 2-3 Spielstunden passierte ist mit “ich war überrascht” noch untertrieben. Ich war hin und weg. Toll ausgearbeitete Charaktere, Dramatik, kleinere Action-Sequenzen, das richtige Maß an Blut und knifflige Entscheidungen samt harter Konsequenzen. Das Spiel hatte ein Konzept auf das ich sofort ansprang. Als am Ende der ersten Episode der “to be continued”-Screen eingeblendet wurde, wollte ich am liebsten direkt weiterspielen.

Und scheinbar ging es nicht nur mir so. In Internetforen und in meinem Freundeskreis deckten sich die Meinungen mit meiner. Die Tests diverser Magazine fielen überraschend - aber völlig berechtigt - hoch aus. Überall fand man den Satz “Ich will Episode 2!” und Telltale versprach im Monatsrhythmus neue Episoden. Doch schon die zweite ließ auf sich warten. Statt einem Monate brauchte man zwei. Entschuldigungen waren schnell gefunden. Man arbeite unter Hochdruck und verspricht bei kommenden Episoden einen genaueren Release. Doch auch Episode 3 ließ wieder zwei weitere Monate auf sich warten und versetze die Fans in angesäuerte Ungeduld. Telltale versprach auch hier Besserung für die Zukunft und es sah so aus, als ob sie ihre internen Prozesse besser planen könnten: Episode 4 und 5 erschienen im Monats-Takt und die Fans schienen versöhnt. Soweit zur Vorgeschichte.

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Nach dem Erfolg der ersten Staffel des Videospiels, welches zudem auf den Konsolen, dem PC und mobilen Plattformen wie den iOS-Geräten oder Der PS Vita erschien und somit ein breites Publikum fand, tat wäre es ein Fehler von Telltale gewesen die Reihe hier enden zu lassen. Auch viele Fans kommunizierten direkt nach dem Ende der Staffel, dass man hunrig auf mehr sei. Diesen Wunsch erfüllte Telltale den Fans - nicht zuletzt, weil der Erfolg zukünftige hohe Einnahmen versprach. Die zweite Staffel wurde angekündigt und neben ihr wollte man sich an einem weiteres Projekt versuchen: “The Wolf Among US” (TWAU) basierend auf der Comic-Vorlage “Fables” von Bill Willingham.

Nachdem mich Telltale mit der gesamten TWD-Staffel völlig geplättet hatte und eines der besten Spielerlebnisse der letzten Jahre bot brauche ich natürlich nicht weiter zu erwähnen, dass ich mich tierisch über weitere Episoden zu diesem Erlebnis freuen würde. Auch gespannt war ich auf die neue Marke, die man hier umsetzen wollte.

Im Oktober dann kam dann beglückte Telltale die neugierigen Fans mit der ersten TWAU-Episode und zeigte, dass TWD nicht ein glücklicher Schuss war. Auch die neue Marke war qualitativ grandios und machte Lust auf mehr. Das Szenario war außergewöhnlich, die Story interessant und Telltale würzte das Ganze mit ihrem Erfolgskonzept aus dem geistigen Zombie-Vorgänger: Emotionen, Entscheidungen, Konsequenzen. Telltale kündigte auch hier einen regelmäßigen Rhythmus an und ich dachte mir, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hatte und nun die Kapazitäten aufgestockt hatte oder zumindest realistische Erscheinungs-Daten nannte. Doch dies war nicht der Fall: Es wurde schlimmer! Viel schlimmer!

Telltale schien alles vergessen zu haben, was sie in der Vergangenheit auf gut deutsch “verkackt” haben. Die zweite Episode von TWAU kam im Februar 2014, genau 4 (!) Monate später! Für ein Spiel mit Episodenformat, welches einer Fernsehserie gleicht ist das fast schon tödlich! Man stelle sich einmal vor man müsse nach einer Folge “Breaking Bad” 4 Monate auf die nächste warten. Das Interesse würde sinken, die Wut steigen. Sympathien für die Macher würden verschwinden. So war es bei mir bei Telltale. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie nach all der Kritik der Vergangenheit, nach all den Fehlern und einsichtigen Statements nun alles noch schlimmer werden konnte. Und anstatt dann wenigstens dazu zu stehen, dass man intern Probleme zu haben schien und sich auf Problem- und Lösungssuche zu begeben lud man sich nun zwei Projekte auf den Rücken, die man stemmen muss: TWAU und die zweite Staffel TWD! Man kann soviel nachdenken wie man will, eine vernünftige Argumentation für eine solche Entscheidung wird niemand finden!

Und nun denkt man vielleicht: Das war ein Ausrutscher! Telltale wird bestimmt sofort das Team vergrößert haben, nachdem sie gemerkt haben, dass die alten Probleme weiterhin existieren! Jaein! Sie haben das Team vergrößert. Ein Ausrutscher scheint es aber wohl kaum zu sein. Immerhin warten die Fans nun schon seit gut drei Monaten auf die nächste Episode der neuen TWD-Staffel, deren erster Teil schon Anfang Dezember 2013 erschien. Für mich ist das mittlerweile einfach unbegreiflich. Klar: Die Qualität bei Telltale-Spielen ist (wenn man die technische Ebene mit ihren Rucklern weglässt) immer gut bis sehr gut, ABER die Veröffentlichungspolitik und die Kommunikation nach Außen hin ist eine glatte Katastrophe und ein Schlag ins Gesicht für die Fans, die sich die Episoden fleißig kaufen oder sogar direkt mit dem Season Pass vorbestellen.

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Und für diejenigen, die ernsthaft glauben, dass es nicht noch schlimmer geht oder werden kann habe ich jetzt noch zwei weitere Argumente, warum ich auch daran stark zweifele:

1. Es gibt immer noch kein Release-Datum für TWD2 Episode 2

2. Telltale kündigte in nicht allzu ferner Vergangenheit an, dass sie zur Erfolgs-Fernsehserie “Game of Thrones” und zum Shooter-Duett “Borderlands 1&2” ebenfalls Adventures im Episodenformat  herausbringen wollen. Erste Episoden sollen schon 2014 veröffentlicht werden.

Somit wird Telltale Games vier Projekte stemmen müssen, die sich garantiert überschneiden werden. Wenn die Entwickler schon bei zwei parallel laufenden Spiele-Serien ihre Episioden in fast vierteljährlichem Rhythmus rausbringen, dann will man sich als leidgeplagter Fan dieser Spiele nicht ausmalen, was man da noch erwarten muss.

Spiele im Episoden-Format leben davon, dass man regelmäßig in kurzen Zeitabständen neue Inhalte vorgesetzt bekommt. Ansonsten schrumpft das Interesse und (was mindestens genauso schlimm ist) die Erinnerungen und Emotionen, die man mit den vorangegangenen Erlebnissen der letzten Folge verbindet verblassen und verlieren ihre Wirkung. Genau das habe ich stark bei TWAU gemerkt. Teilweise wusste ich nicht einmal mehr was passiert war, wer die Charaktere waren und was für Entscheidungen ich traf. Telltale versuchte diesen Brand ein wenig zu löschen, indem sie einem die Schlüsselszenen der ersten Episode zu Beginn der zweiten noch einmal kurz zusammenschnitten. Dies war jedoch (zumindest auf der Xbox) von so derben Rucklern geplagt, dass man weder Spaß daran hatte, noch so wirklich verstand, was da denn gerade passierte, da die Ruckler eine Latenz zwischen Bild und Ton erzeugten, die 1-2 Sekunden betrug. Man sitzt bei Telltale Games also 4 Monate an einer Fortsetzung und kriegt dann noch nicht mal die Technik in den Griff.

Liebe Entwickler bei Telltale: Ich mag euch! Ihr habt mir intensive und erinnungswerte Momente in virtuellen Welten beschert, die zu den tollsten meiner Spiele-Karriere gehören. Aber so wie ihr mit eurer Fanbase umgeht ist es nur schwer nicht langsam wütend zu werden. Die Wartezeiten zwischen den Episoden kann man mittlerweile getrost als “unverschämt” einstufen und die Flut an neuen Projekten bezüglich auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit als “größenwahnsinnig”. Ich hoffe wirklich, dass ihr das Ruder irgendwie rumgerissen kriegt und mich davon überzeugt, dass auf euch doch noch Verlass ist. Aber den Glauben daran hab ich lange aufgegeben. Ob ich dann im Juli 2014 die nächste Episode TWAU spielen möchte, wage ich ernsthaft zu bezweifeln…

J.

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