Artikelsuche

Freitag, 25. April 2014

Selbstgespräche: Nach einer Folge True Detective




Es ist ein Trend, der sich schon über viele Jahre entwickelt und langsam zur Normalität wird. Der Schritt weg vom abendlichen Film oder einer Fernsehsendung hin zum Verfolgen einer Serie scheint für immer mehr Menschen der attraktivere zu sein. Gründe dafür dürften neben der kürzeren Spielzeit einer Folge, auch die immer höhere Qualität der Produktionen sein, die einem Kinofilm kaum noch nachstehen. Studios oder Fernsehsender wie AMC, HBO und BBC drehen eine Serie nach der anderen ab und brechen damit reihenweise Zuschauerrekorde, was der Serverzusammenbruch beim Start der vierten "Game of Thrones"-Staffel eindrucksvoll unterstrich. Serien scheinen DAS neue Unterhaltungsmedium zu sein und die neue HBO-Produktion "True Detective" hat das Zeug sich in die Riege der größten von ihnen einzureihen.

Die Serie warf ihren Schatten weit voraus. Getragen von dem Star-Duo Woody Harrelson (Natural Born Killers; Zombieland) und Matthew McConaughey (Dallas Buyers Club; Der Mandant) wird der Serie schnell Hit-Potential vorausgesagt, wobei das Konzept noch relativ unverbraucht ist: Jede Staffel wird eine in sich abgeschlossene Handlung erzählen. Die Besetzungen werden sich von Season zu Season unterscheiden. Diese Fortsetzungsform hatte man bisher nur in der amerikanischen Horror-Serie American Horror Story umgesetzt. Das Konzept soll die Serie frisch halten und nebenbei auch anderen hochkarätigen Schauspielstars die Möglichkeit geben in künfigen Staffeln Hauptrollen einzunehmen.

Als Serienfan und Sympathisant der beiden Protagonisten war auch ich natürlich gespannt auf den Start der ersten großen Serie im gar nicht mehr so frischen neuen Jahr. Nun ist soeben der Abspann der ersten Folge über den Bildschirm geflimmert und meine Gefühle positionieren sich irgendwo zwischen "Befriedigt" und "Unbefriedigt". Doch beginnen wir am Anfang (leichte Spoiler zur Folge inbegriffen):

Nach einem toll bebilderten und musikalisch passend unterlegtem Vorspann, spuckt die Serie den Zuschauer direkt mitten rein. Ein gewohnt glatzköpfiger Woody Harrelson und ein völlig verkommener McConaughey werden zu einem Fall interviewt, den sie vor gut 17 Jahren einmal lösten. Wir machen einen Zeitsprung und sehen die beiden vor knapp zwei Dekaden, wie sie eben diesen Fall antreten.
Die Serie spielt im Hinterland von Louisiana, wo die Leute - wie McConaugheys Charakter Detective Rustin Cohle so treffend sagt -  fernab von jeder Zivilisation "wie auf dem Mond" leben. Verwahrloste Holzhütten und Wohnwagen wechseln sich mit horizontfüllenden Kornfeldern ab. Und in einem von diesen Feldern geschah der Mord, zu dessen Tatort die beiden Detectives gerufen werden. Alles deutet auf einen Ritualmord hin. Das Opfer ist nackt, mit runenartigen Symbolen bemalt und trägt ein Hirschgeweih als Krone.
Immer wieder springt die Folge in den Zeitebenen. Mal sieht man die Charaktere ermitteln, dann wiederum erzählen sie 17 Jahre später vor der Kamera ihre Einschätzungen und Taten. Was anfangs ein wenig verwirrt, hat nach gut einer halben Stunde schnell seinen Reiz gefunden, da man sieht, wie die Charaktere sich entwickelt haben und die Gründe dafür den Wissensdurst anregen.

Dabei ziehen vor allem die beiden Hauptfiguren direkt in ihren Bann. Der von Harrelson gespielte Detective Martin Hart kennt Louisiana wie seine Westentasche, ist gläubiger Christ und Familienvater. Er ist ein gewissenhafter Cop, die Art die eher aus dem Bauch entscheidet, als den großen Denker raushängen lässt. Das blonde Haar sitzt ebenso wie seine Uniform.
McConaugheys Cohle ist da ein ganz anderes Kaliber. Ein Pessimist, ein Gottloser. Ein Mensch der auf einem Drahtseil balanciert und immer droht abzurutschen und die Kontrolle über sein Leben zu verlieren.
Den Mensch sieht er als Fehler der Natur, seine eigene Existenz ist etwas, das er nur schwer akzeptieren kann. Seine Tochter starb, seine Ehe zerbrach und er flüchtete sich in den Alkohol. Er ist der erfolgreiche Ermittler, der die Fälle mit Wissen und Verstand löst und vor sieben Monaten nach Louisiana versetzt wurde, um das Department dort scheinbar auszuwerten.
Das Aufeinandertreffen dieser beiden Menschen ist äußerst interessant und birgt Potential für viele Konflikte auf verschiedenen Ebenen, wie sie auch schon in der ersten Folge angedeutet werden. Es gibt ein herrliches Gespräch im Auto, in dem Hart Cohle fragt, ob er denn gläubig sei. Das daraufhin entstehende Wortduell ist ein echtes Highlight und zeigt, dass hier absolute Meister am Drehbuch saßen. Man darf wirklich gespannt sein, wie sich die Beziehung der beiden noch entwickeln wird. Und das ist auch schon der erste kleine Kritikpunkt an der ersten Folge: Die Charaktere sind interessanter als der bis dato dargestellte Plot. Trotz skurrilem Szenario fehlt das Interesse an dem Ritualmord zumindest bei mir. Die damit verbundenen Ermittlungen der ersten Episode geben uns interessante Einblicke in die Psyche der beiden Protagonisten, bieten aber nicht genug Andeutungen, um den Zuschauer auch für den Fall an sich zu begeistern.

Martin Hart (Woody Harrelson) und Rustin Cohle (Matthew McConaughey)
Wie schon angesprochen reißen aber die Charaktere die Aufmerksamkeit an sich und gaben mir das Gefühl, dass man hier in den nächsten Episoden noch großes erwarten kann. Schon allein wie aus Rustin Cohle, den wir oben auf dem Bild noch als gepflegten, adrett gekleideten Ermittler sehen 17 Jahre später ein verkommener rückfälliger Alkoholiker mit langen ungepflegten Haaren und Bikerschnurrbart wurde, interessiert mich brennend. Und wenn man die Charakterzeichnung sieht, mache ich mir absolut keine Sorgen, dass der Plot nicht in Fahrt kommen könnte. Da scheinen Leute am Drehbuch gesessen zu haben, die ihr Fach absolut verstehen und die Fähigkeiten besitzen dem Zuschauer in den kommenden Episoden die ein oder andere fiese Wendung an den Kopf zu werfen.

Was mir extrem gut gefiel, war die Inszenierung. Hier ist nichts reißerisch, schnell geschnitten oder forciert auf Action getrimmt. Die Serie wirkt ruhig erzählt, behäbig und zieht ihre Spannung aus den Dialogen und Andeutungen. Die Landschaftsaufnahmen des hinterwäldlerischen Louisianas wecken Interesse am kaum verbrauchten Szenario. Die heruntergekommenen Hütten, Bars und Häuser bieten perfekte Locations für erschütternde Szenen und Dramatik und die Bewohner dieser scheinen ebenso gottesfürchtig wie sozial isoliert. Es gab kaum eine Serie, die mir allein durch ihre Umwelt so viel Interesse entlockte.

Und dennoch bin ich durch den bisher uninteressanten Fall, der hier dem Plot unterliegt nicht vollends befriedigt. Ich hoffe, dass schon in Folge 2 die entscheidenden Karten ausgespielt werden, um mich auch auf dieser Ebene zu locken. Szenario, Machart und vor allem die Charaktere machen Lust auf mehr und kreieren Vorfreude auf kommende Episoden. True Detective entscheidet sich hier nicht für den Brachialstart wie zum Beispiel ein Breaking Bad es tat, in dem Walther White wie ein Wahnsinniger nur in Unterhose und mit Pistole den Wohnwagen durch die Prärie prescht, sondern beginnt seine Geschichte mit Charakterzeichnung. Dies ist erfrischend und wird der Serie sicher gut tun, weil man nun mit dem Gefühl die Hauptfiguren zu kennen der nächsten Folge entgegenschreitet. Ich bin gespannt, ob man sich traut diese Tempo auch für den Rest der Staffel beizubehalten. Ich würde es mir fast wünschen.

True Detective hat mich noch nicht vollständig ergriffen, aber bei all dem Potential und der Sorgfalt die in Szenario und Chataktere gesteckt wurde, ist es nun noch eine Frage der Zeit.

J.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen